Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 081 |
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01 | zum Blendwerk von objectiven Behauptungen gebraucht und mithin | ||||||
02 | in der That dadurch gemißbraucht worden. Die allgemeine Logik nun, | ||||||
03 | als vermeintes Organon, heißt Dialektik. | ||||||
04 | So verschieden auch die Bedeutung ist, in der die Alten dieser Benennung | ||||||
05 | einer Wissenschaft oder Kunst sich bedienten, so kann man doch | ||||||
06 | aus dem wirklichen Gebrauche derselben sicher abnehmen, daß sie bei ihnen | ||||||
07 | nichts anders war, als die Logik des Scheins. Eine sophistische Kunst, | ||||||
08 | seiner Unwissenheit, ja auch seinen vorsetzlichen Blendwerken den Anstrich | ||||||
09 | der Wahrheit zu geben, daß man die Methode der Gründlichkeit, welche | ||||||
10 | die Logik überhaupt vorschreibt, nachahmte und ihre Topik zu Beschönigung | ||||||
11 | jedes leeren Vorgehens benutzte. Nun kann man es als eine sichere | ||||||
12 | und brauchbare Warnung anmerken: daß die allgemeine Logik, als Organon | ||||||
13 | betrachtet, jederzeit eine Logik des Scheins, d. i. dialektisch, sei. | ||||||
14 | Denn da sie uns gar nichts über den Inhalt der Erkenntniß lehrt, sondern | ||||||
15 | nur bloß die formalen Bedingungen der Übereinstimmung mit dem | ||||||
16 | Verstande, welche übrigens in Ansehung der Gegenstände gänzlich gleichgültig | ||||||
17 | sind: so muß die Zumuthung, sich derselben als eines Werkzeugs | ||||||
18 | (Organon) zu gebrauchen, um seine Kenntnisse wenigstens dem Vorgeben | ||||||
19 | nach auszubreiten und zu erweitern, auf nichts als Geschwätzigkeit hinauslaufen, | ||||||
20 | alles, was man will, mit einigem Schein zu behaupten, oder | ||||||
21 | auch nach Belieben anzufechten. | ||||||
22 | Eine solche Unterweisung ist der Würde der Philosophie auf keine | ||||||
23 | Weise gemäß. Um deswillen hat man diese Benennung der Dialektik lieber | ||||||
24 | als eine Kritik des dialektischen Scheins der Logik beigezählt, und | ||||||
25 | als eine solche wollen wir sie auch hier verstanden wissen. | ||||||
26 | IV |
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27 | Von der Eintheilung der transscendentalen Logik |
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28 | in die |
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29 | Transscendentale Analytik und Dialektik. |
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30 | In einer transscendentalen Logik isoliren wir den Verstand (so wie | ||||||
31 | oben in der transscendentalen Ästhetik die Sinnlichkeit) und heben bloß | ||||||
32 | den Theil des Denkens aus unserm Erkenntnisse heraus, der lediglich | ||||||
33 | seinen Ursprung in dem Verstande hat. Der Gebrauch dieser reinen Erkenntniß | ||||||
34 | aber beruht darauf als ihrer Bedingung: daß uns Gegenstände | ||||||
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