Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 080

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Was aber das Erkenntniß der bloßen Form nach (mit Beiseitesetzung      
  02 alles Inhalts) betrifft, so ist eben so klar: daß eine Logik, so fern sie die      
  03 allgemeinen und nothwendigen Regeln des Verstandes vorträgt, eben in      
  04 diesen Regeln Kriterien der Wahrheit darlegen müsse. Denn was diesen      
  05 widerspricht, ist falsch, weil der Verstand dabei seinen allgemeinen Regeln      
  06 des Denkens, mithin sich selbst widerstreitet. Diese Kriterien aber betreffen      
  07 nur die Form der Wahrheit, d. i. des Denkens überhaupt, und      
  08 sind so fern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkenntniß      
  09 der logischen Form völlig gemäß sein möchte, d. i. sich selbst nicht      
  10 widerspräche: so kann sie doch noch immer dem Gegenstande widersprechen.      
  11 Also ist das bloß logische Kriterium der Wahrheit, nämlich die Übereinstimmung      
  12 einer Erkenntniß mit den allgemeinen und formalen Gesetzen      
  13 des Verstandes und der Vernunft, zwar die conditio sine qua non , mithin      
  14 die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik      
  15 nicht gehen, und den Irrthum, der nicht die Form, sondern den Inhalt      
  16 trifft, kann die Logik durch keinen Probirstein entdecken.      
           
  17 Die allgemeine Logik löset nun das ganze formale Geschäfte des Verstandes      
  18 und der Vernunft in seine Elemente auf und stellt sie als Principien      
  19 aller logischen Beurtheilung unserer Erkenntniß dar. Dieser Theil      
  20 der Logik kann daher Analytik heißen und ist eben darum der wenigstens      
  21 negative Probirstein der Wahrheit, indem man zuvörderst alle Erkenntniß      
  22 ihrer Form nach an diesen Regeln prüfen und schätzen muß, ehe man sie      
  23 selbst ihrem Inhalt nach untersucht, um auszumachen, ob sie in Ansehung      
  24 des Gegenstandes positive Wahrheit enthalten. Weil aber die bloße Form      
  25 des Erkenntnisses, so sehr sie auch mit logischen Gesetzen übereinstimmen      
  26 mag, noch lange nicht hinreicht, materielle (objective) Wahrheit dem Erkenntnisse      
  27 darum auszumachen, so kann sich niemand bloß mit der Logik      
  28 wagen, über Gegenstände zu urtheilen und irgend etwas zu behaupten,      
  29 ohne von ihnen vorher gegründete Erkundigung außer der Logik eingezogen      
  30 zu haben, um hernach bloß die Benutzung und die Verknüpfung      
  31 derselben in einem zusammenhängenden Ganzen nach logischen Gesetzen      
  32 zu versuchen, noch besser aber, sie lediglich darnach zu prüfen. Gleichwohl      
  33 liegt so etwas Verleitendes in dem Besitze einer so scheinbaren Kunst,      
  34 allen unseren Erkenntnissen die Form des Verstandes zu geben, ob man      
  35 gleich in Ansehung des Inhalts derselben noch sehr leer und arm sein      
  36 mag, daß jene allgemeine Logik, die bloß ein Kanon zur Beurtheilung      
  37 ist, gleichsam wie ein Organon zur wirklichen Hervorbringung, wenigstens      
           
     

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