Kant: AA II, Von den verschiedenen Racen ... , Seite 436 |
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01 | scheinen, welche auf die Zeugungskraft innigst einfließen und eine dauerhafte | ||||||
02 | Entwickelung der Keime und Anlagen hervorbringen, d. i. eine | ||||||
03 | Race gründen können; da hingegen die besondere Nahrung zwar einen | ||||||
04 | Schlag Menschen hervorbringen kann, dessen Unterscheidendes aber bei | ||||||
05 | Verpflanzungen bald erlischt. Was auf die Zeugungskraft haften soll, | ||||||
06 | muß nicht die Erhaltung des Lebens, sondern die Quelle desselben, | ||||||
07 | d. i. die ersten Principien seiner thierischen Einrichtung und Bewegung, | ||||||
08 | afficiren. | ||||||
09 | Der Mensch, in die Eiszone versetzt, mußte nach und nach in eine | ||||||
10 | kleinere Statur ausarten, weil bei dieser, wenn die Kraft des Herzens | ||||||
11 | dieselbe bleibt, der Blutumlauf in kürzerer Zeit geschieht, der Pulsschlag | ||||||
12 | also schneller und die Blutwärme größer wird. In der That fand auch | ||||||
13 | Cranz die Grönländer nicht allein weit unter der Statur der Europäer, | ||||||
14 | sondern auch von merklich größerer natürlichen Hitze ihres Körpers. Selbst | ||||||
15 | das Mißverhältniß zwischen der ganzen Leibeshöhe und den kurzen Beinen | ||||||
16 | an den nördlichsten Völkern ist ihrem Klima angemessen, da diese Theile | ||||||
17 | des Körpers wegen ihrer Entlegenheit vom Herzen in der Kälte mehr Gefahr | ||||||
18 | leiden. Gleichwohl scheinen doch die meisten der jetzt bekannten Einwohner | ||||||
19 | der Eiszone nur spätere Ankömmlinge daselbst zu sein, wie die Lappen, | ||||||
20 | welche mit den Finnen aus einerlei Stamme, nämlich dem ungrischen, entsprungen, | ||||||
21 | nur seit der Auswanderung der letztern (aus dem Osten von | ||||||
22 | Asien) die jetzigen Sitze eingenommen haben und doch schon in dieses Klima | ||||||
23 | auf einen ziemlichen Grad eingeartet sind. | ||||||
24 | Wenn aber ein nordliches Volk lange Zeitläufte hindurch genöthigt | ||||||
25 | ist, den Einfluß von der Kälte der Eiszone auszustehen, so müssen sich | ||||||
26 | mit ihm noch größere Veränderungen zutragen. Alle Auswickelung, wodurch | ||||||
27 | der Körper seine Säfte nur verschwendet, muß in diesem austrocknenden | ||||||
28 | Himmelsstriche nach und nach gehemmt werden. Daher werden | ||||||
29 | die Keime des Haarwuchses mit der Zeit unterdrückt, so daß nur diejenigen | ||||||
30 | übrig bleiben, welche zur nothwendigen Verdeckung des Hauptes erforderlich | ||||||
31 | sind. Vermöge einer natürlichen Anlage werden auch die hervorragenden | ||||||
32 | Theile des Gesichts, welches am wenigsten einer Bedeckung fähig ist, | ||||||
33 | da sie durch die Kälte unaufhörlich leiden, vermittelst einer Fürsorge der | ||||||
34 | Natur allmählig flacher werden, um sich besser zu erhalten. Die wulstige | ||||||
35 | Erhöhung unter den Augen, die halbgeschlossenen und blinzenden Augen | ||||||
36 | schienen zur Verwahrung derselben theils gegen die austrocknende Kälte | ||||||
37 | der Luft, theils gegen das Schneelicht (wogegen die Eskimos auch Schneebrillen | ||||||
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