Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 172 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | ihm zugleich zukommen. Die Folge davon ist auch Nichts, aber in einem | ||||||
| 02 | andern Verstande wie beim Widerspruch ( nihil privativum, repraesentabile ). | ||||||
| 03 | Wir wollen dieses Nichts künftighin Zero = 0 nennen, und es ist | ||||||
| 04 | dessen Bedeutung mit der von einer Verneinung ( negatio ), Mangel, Abwesenheit, | ||||||
| 05 | die sonst bei Weltweisen im Gebrauch sind, einerlei, nur mit | ||||||
| 06 | einer näheren Bestimmung, die weiter unten vorkommen wird. | ||||||
| 07 | Bei der logischen Repugnanz wird nur auf diejenige Beziehung gesehen, | ||||||
| 08 | dadurch die Prädicate eines Dinges einander und ihre Folgen durch | ||||||
| 09 | den Widerspruch aufheben. Welches von beiden wahrhaftig bejahend ( realitas ) | ||||||
| 10 | und welches wahrhaftig verneinend ( negatio ) sei, darauf hat man | ||||||
| 11 | hiebei gar nicht acht. Z. E. Finster und nicht finster in einerlei Verstande | ||||||
| 12 | zugleich sein ist in eben demselben Subjecte ein Widerspruch. Das erstere | ||||||
| 13 | Prädicat ist logisch bejahend, das andere logisch verneinend, obgleich jenes | ||||||
| 14 | im metaphysischen Verstande eine Negation ist. Die Realrepugnanz beruht | ||||||
| 15 | auch auf einer Beziehung zweier Prädicate eben desselben Dinges | ||||||
| 16 | gegen einander; aber diese ist von ganz anderer Art. Durch eines derselben | ||||||
| 17 | ist dasjenige nicht verneint, was durch das andre bejaht ist, denn dieses | ||||||
| 18 | ist unmöglich, sondern beide Prädicate A und B sind bejahend; nur da | ||||||
| 19 | von jedem besonders die Folgen a und b sein würden, so ist durch beide | ||||||
| 20 | zusammen in einem Subject nicht eins, auch nicht das andre, also ist die | ||||||
| 21 | Folge Zero. Setzet, jemand habe die Activschuld A=100 Rthlr. gegen | ||||||
| 22 | einen andern, so ist dieses ein Grund einer eben so großen Einnahme. | ||||||
| 23 | Es habe aber eben derselbe auch eine Passivschuld B=100 Rthlr., so ist | ||||||
| 24 | dieses ein Grund, so viel wegzugeben. Beide Schulden zusammen sind ein | ||||||
| 25 | Grund vom Zero, d. i. weder Geld zu geben noch zu bekommen. Man | ||||||
| 26 | sieht leicht ein: daß dieses Zero ein verhältnißmäßiges Nichts sei, indem | ||||||
| 27 | nämlich nur eine gewisse Folge nicht ist, wie in diesem Falle ein gewisses | ||||||
| 28 | Capital und in dem oben angeführten eine gewisse Bewegung nicht ist; | ||||||
| 29 | dagegen ist bei der Aufhebung durch den Widerspruch schlechthin Nichts. | ||||||
| 30 | Demnach kann das nihil negativum nicht durch Zero = 0 ausgedrückt | ||||||
| 31 | werden, denn dieses enthält keinen Widerspruch. Es läßt sich denken, daß | ||||||
| 32 | eine gewisse Bewegung nicht sei, daß sie aber zugleich sei und nicht sei, | ||||||
| 33 | läßt sich garnicht denken. | ||||||
| 34 | Die Mathematiker bedienen sich nun der Begriffe dieser realen Entgegensetzung | ||||||
| 35 | bei ihren Größen, und um solche anzuzeigen, bezeichnen sie | ||||||
| 36 | dieselbe mit + und -. Da eine jede solche Entgegensetzung gegenseitig | ||||||
| 37 | ist, so sieht man leicht ein, daß eine die andere entweder ganz oder zum Theil | ||||||
| [ Seite 171 ] [ Seite 173 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||