Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 148 |
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| 01 | haben, da man nämlich die ungegründete Besorgniß wegschafft, als wenn | ||||||
| 02 | eine jede Erklärung einer großen Anstalt der Welt aus allgemeinen Naturgesetzen | ||||||
| 03 | den boshaften Feinden der Religion eine Lücke öffne, in ihre Bollwerke | ||||||
| 04 | zu dringen. Meiner Meinung nach hat die angeführte Hypothese | ||||||
| 05 | zum mindesten Gründe genug für sich, um Männer von ausgebreiteter | ||||||
| 06 | Einsicht zu einer nähern Prüfung des darin vorgestellten Plans, der nur | ||||||
| 07 | ein grober Umriß ist, einzuladen. Mein Zweck, in so fern er diese Schrift | ||||||
| 08 | betrifft, ist erfüllt, wenn man, durch das Zutrauen zu der Regelmäßigkeit | ||||||
| 09 | und Ordnung, die aus allgemeinen Naturgesetzen fließen kann, vorbereitet, | ||||||
| 10 | nur der natürlichen Weltweisheit ein freieres Feld öffnet und eine | ||||||
| 11 | Erklärungsart, wie diese oder eine andere als möglich und mit der Erkenntniß | ||||||
| 12 | eines weisen Gottes wohl zusammenstimmend anzusehen kann | ||||||
| 13 | bewogen werden. | ||||||
| 14 | Es wäre übrigens der philosophischen Bestrebung wohl würdig, nachdem | ||||||
| 15 | die Wirbel, das beliebte Werkzeug so vieler Systeme, außerhalb der | ||||||
| 16 | Sphäre der Natur auf des Miltons Limbus der Eitelkeit verwiesen worden, | ||||||
| 17 | daß man gleichwohl gehörig forschte, ob nicht die Natur ohne Erdichtung | ||||||
| 18 | besonderer Kräfte selber etwas darböte, was die durchgehends nach | ||||||
| 19 | einerlei Gegend gerichtete Schwungsbewegung der Planeten erklären | ||||||
| 20 | könnte, da die andere von den Centralkräften in der Gravitation als einem | ||||||
| 21 | dauerhaften Verbande der Natur gegeben ist. Zum wenigsten entfernt | ||||||
| 22 | sich der von uns entworfene Plan nicht von der Regel der Einheit, denn | ||||||
| 23 | selbst diese Schwungskraft wird als eine Folge aus der Gravitation abgeleitet, | ||||||
| 24 | wie es zufälligen Bewegungen anständig ist, denn diese sollen als | ||||||
| 25 | Erfolge aus den der Materie auch in Ruhe beiwohnenden Kräften hergeleitet | ||||||
| 26 | werden. | ||||||
| 27 | Überdies merke ich an, daß das atomistische System des Demokritus | ||||||
| 28 | und Epikurs unerachtet des ersten Anscheins von Ähnlichkeit doch eine | ||||||
| 29 | ganz verschiedene Beziehung zu der Folgerung auf einen Urheber der Welt | ||||||
| 30 | habe, als der Entwurf des unsrigen. In jenem war die Bewegung ewig | ||||||
| 31 | und ohne Urheber und der Zusammenstoß, der reiche Quell so vieler Ordnung, | ||||||
| 32 | ein Ungefähr und ein Zufall, wozu sich nirgend ein Grund fand. | ||||||
| 33 | Hier führt ein erkanntes und wahres Gesetz der Natur nach einer sehr begreiflichen | ||||||
| 34 | Voraussetzung mit Nothwendigkeit auf Ordnung, und da hier | ||||||
| 35 | ein bestimmender Grund eines Ausschlags auf Regelmäßigkeit angetroffen | ||||||
| 36 | wird und etwas, was die Natur im Gleise der Wohlgereimtheit und Schönheit | ||||||
| 37 | erhält, so wird man auf die Vermuthung eines Grundes geführt, aus | ||||||
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