Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 107 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | zureicht. Nun ist es ohne Zweifel eine Vollkommenheit, daß zu allen | ||||||
| 02 | diesen Wirkungen Gründe in der Natur angetroffen werden, und wenn | ||||||
| 03 | der nämliche Grund, der die eine bestimmt, auch zu den andern hinreichend | ||||||
| 04 | ist, um desto mehr Einheit wächst dadurch dem Ganzen zu. Diese Einheit | ||||||
| 05 | aber und mit ihr die Vollkommenheit ist in dem hier angeführten | ||||||
| 06 | Falle nothwendig und klebt dem Wesen der Sache an, und alle Wohlgereimtheit, | ||||||
| 07 | Fruchtbarkeit und Schönheit, die ihr in so fern zu verdanken | ||||||
| 08 | ist, hängt von Gott vermittelst der wesentlichen Ordnung der Natur ab, | ||||||
| 09 | oder vermittelst desjenigen, was in der Ordnung der Natur nothwendig | ||||||
| 10 | ist. Man wird mich hoffentlich schon verstehen, daß ich diese Nothwendigkeit | ||||||
| 11 | nicht auf das Dasein dieser Dinge selber, sondern lediglich auf die in | ||||||
| 12 | ihrer Möglichkeit liegende Übereinstimmung und Einheit als einen nothwendigen | ||||||
| 13 | Grund einer so überaus großen Tauglichkeit und Fruchtbarkeit | ||||||
| 14 | erstreckt wissen will. Die Geschöpfe des Pflanzen= und Thierreichs bieten | ||||||
| 15 | durchgängig die bewundernswürdigste Beispiele einer zufälligen, aber mit | ||||||
| 16 | großer Weisheit übereinstimmenden Einheit dar. Gefäße, die Saft saugen, | ||||||
| 17 | Gefäße, die Luft saugen, diejenige, so den Saft ausarbeiten, und die, so | ||||||
| 18 | ihn ausdünsten etc., ein großes Mannigfaltige, davon jedes einzeln keine | ||||||
| 19 | Tauglichkeit zu den Wirkungen des andern hat, und wo die Vereinbarung | ||||||
| 20 | derselben zur gesammten Vollkommenheit künstlich ist, so daß die Pflanze | ||||||
| 21 | selbst mit ihren Beziehungen auf so verschiedene Zwecke ein zufälliges und | ||||||
| 22 | willkürliches Eine ausmacht. | ||||||
| 23 | Dagegen liefert vornehmlich die unorganische Natur unaussprechlich | ||||||
| 24 | viel Beweisthümer einer nothwendigen Einheit in der Beziehung eines | ||||||
| 25 | einfachen Grundes auf viele anständige Folgen, dermaßen daß man auch | ||||||
| 26 | bewogen wird, zu vermuthen, daß vielleicht da, wo selbst in der organischen | ||||||
| 27 | Natur manche Vollkommenheit scheinen kann ihre besondere Anstalt | ||||||
| 28 | zu Grunde zu haben, sie wohl eine nothwendige Folge aus eben demselben | ||||||
| 29 | Grunde sein mag, welcher sie mit vielen andern schönen Wirkungen schon | ||||||
| 30 | in seiner wesentlichen Fruchtbarkeit verknüpft, so daß auch sogar in diesen | ||||||
| 31 | Naturreichen mehr nothwendige Einheit sein mag als man wohl denkt. | ||||||
| 32 | Weil nun die Kräfte der Natur und ihre Wirkungsgesetze den Grund | ||||||
| 33 | einer Ordnung der Natur enthalten, welche, in so fern sie mannigfaltige | ||||||
| 34 | Harmonie in einer nothwendigen Einheit zusammenfaßt, veranlaßt, daß | ||||||
| 35 | die Verknüpfung vieler Vollkommenheit in einem Grunde zum Gesetze | ||||||
| 36 | wird, so hat man verschiedene Naturwirkungen in Ansehung ihrer Schönheit | ||||||
| 37 | und Nützlichkeit unter der wesentlichen Naturordnung und vermittelst | ||||||
| [ Seite 106 ] [ Seite 108 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||