Kant: AA II, Die falsche Spitzfindigkeit der ... , Seite 058 |
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01 | die erste Figur nennt, daß alle andre Versetzungen des Mittelbegriffs nur | ||||||
02 | eine richtige Schlußfolge geben, indem sie durch leichte unmittelbare | ||||||
03 | Folgerungen auf solche Sätze führen, die in der einfältigen Ordnung der | ||||||
04 | ersten Figur verknüpft sind, daß es unmöglich sei, in mehr wie in einer | ||||||
05 | Figur einfach und unvermengt zu schließen, weil doch immer nur die erste | ||||||
06 | Figur, die durch versteckte Folgerungen in einem Vernunftschlusse verborgen | ||||||
07 | liegt, die Schlußkraft enthält und die veränderte Stellung der Begriffe nur | ||||||
08 | einen kleinen oder größern Umschweif verursacht, den man zu durchlaufen | ||||||
09 | hat, um die Folge einzusehen, und daß die Eintheilung der Figuren überhaupt, | ||||||
10 | in so fern sie reine und mit keinen Zwischenurtheilen vermischte | ||||||
11 | Schlüsse enthalten sollen, falsch und unmöglich sei. Wie unsere allgemeine | ||||||
12 | Grundregeln aller Vernunftschlüsse zugleich die besondern Regeln der so | ||||||
13 | genannten ersten Figur enthalten, imgleichen wie man aus dem gegebenen | ||||||
14 | Schlußsatze und dem mittlern Hauptbegriffe sogleich einen jeden Vernunftschluß | ||||||
15 | aus einer der übrigen Figuren ohne die unnütze Weitläufigkeit der | ||||||
16 | Reductionsformeln in die erste und einfache Schlußart verändern könne, | ||||||
17 | so daß entweder die Conclusion selber oder ein Satz, daraus diese durch | ||||||
18 | unmittelbare Folgerung fließt, geschlossen wird, ist aus unserer Erläuterung | ||||||
19 | so leicht abzunehmen, daß ich mich dabei nicht aufhalte. | ||||||
20 | Ich will diese Betrachtung nicht endigen, ohne einige Anmerkungen | ||||||
21 | beigefügt zu haben, die auch anderweitig von erheblichem Nutzen sein | ||||||
22 | könnten. | ||||||
23 | Ich sage demnach erstlich, daß ein deutlicher Begriff nur durch ein | ||||||
24 | Urtheil, ein vollständiger aber nicht anders als durch einen Vernunftschluß | ||||||
25 | möglich sei. Es wird nämlich zu einem deutlichen Begriff erfordert, | ||||||
26 | daß ich etwas als ein Merkmal eines Dinges klar erkenne, dieses | ||||||
27 | aber ist ein Urtheil. Um einen deutlichen Begriff vom Körper zu haben, | ||||||
28 | stelle ich mir die Undurchdringlichkeit als ein Merkmal desselben klar vor. | ||||||
29 | Diese Vorstellung aber ist nichts anders als der Gedanke: ein Körper | ||||||
30 | ist undurchdringlich. Hiebei ist nur zu merken, daß dieses Urtheil | ||||||
31 | nicht der deutliche Begriff selber, sondern die Handlung sei, wodurch er | ||||||
32 | wirklich wird; denn die Vorstellung, die nach dieser Handlung von der | ||||||
33 | Sache selbst entspringt, ist deutlich. Es ist leicht zu zeigen, daß ein vollständiger | ||||||
34 | Begriff nur durch einen Vernunftschluß möglich sei, man darf | ||||||
35 | nur den ersten Parag. dieser Abhandlung nachsehen. Um deswillen könnte | ||||||
36 | man einen deutlichen Begriff auch einen solchen nennen, der durch ein Urtheil | ||||||
37 | klar ist, einen vollständigen aber, der durch einen Vernunftschluß | ||||||
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