Kant: AA I, M. Immanuel Kants neue ... , Seite 493 |
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| 01 | sich enthielte, wenn sie um den 10ten Theil vermehrt worden, in der Entfernung | ||||||
| 02 | einer Meile von diesem erhitzten Platze nur noch den 80sten Theil | ||||||
| 03 | dieser vermehrten Kraft betragen, mithin gar nicht einmal können verspürt | ||||||
| 04 | werden. Die Ausbreitung kann aber auch nicht einmal bis dahin | ||||||
| 05 | reichen. Denn ehe die Luft sich noch so weit erweitert, wird sie wegen der | ||||||
| 06 | Verminderung ihres Gewichts dem Druck der dichtern weichen und ihren | ||||||
| 07 | Platz derselben einräumen. | ||||||
| 08 | Bestätigung aus der Erfahrung. |
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| 09 | Die angeführte Regel wird so sehr durch alle Erfahrungen bestätigt, | ||||||
| 10 | daß man auch nicht eine einzige Ausnahme dagegen aufbringen kann. | ||||||
| 11 | Alle Inseln, die im Meere liegen, alle Küsten der Länder in Gegenden, | ||||||
| 12 | wo die Sonnenhitze stark wirkt, empfinden einen anhaltenden Seewind, so | ||||||
| 13 | bald die Sonne sich so weit über den Horizont erhoben hat, daß sie auf | ||||||
| 14 | die Erde namhaft wirkt. Denn da diese mehr Erhitzung als das Meer | ||||||
| 15 | annimmt, so wird die Landluft mehr verdünnt als die Seeluft und weicht | ||||||
| 16 | daher wegen ihrer Leichtigkeit dem Gewichte der letztern. In dem weitläuftigen | ||||||
| 17 | äthiopischen Ocean ist der Wind sehr weit vom festen Lande der | ||||||
| 18 | natürliche allgemeine Ostwind, aber näher zu den Küsten von Guinea | ||||||
| 19 | bekommt er eine Wendung von diesem seinem Zuge und wird genöthigt | ||||||
| 20 | über Guinea hinzuwehen, welches, durch die Sonne mehr als das Weltmeer | ||||||
| 21 | erhitzt, einen Zug der Luft über seinen erwärmten Boden verursacht. | ||||||
| 22 | Man sehe nur die Karte an, die Jurin bei des Varenius allgemeiner | ||||||
| 23 | Geographie oder Musschenbroek seiner Physik beigefügt hat, so wird | ||||||
| 24 | man in einem Augenblick, wenn man den natürlichen allgemeinen Ostwind | ||||||
| 25 | und diese Regel zugleich vor Augen hat, alle Richtungen des in dem | ||||||
| 26 | Meere bei Guinea wehenden Windes, die Tornaden und alles übrige | ||||||
| 27 | völlig einsehen und erklären können. Darum regieren in Norden die | ||||||
| 28 | Nordwinde zur Winterszeit, wenn die Sonne die Luft in der südlichen | ||||||
| 29 | Halbkugel verdünnt. Daher heben auch die Winde im Anfange des Frühlings | ||||||
| 30 | an von dem Äquator nach der nordlichen Halbkugel zu wehen, weil | ||||||
| 31 | die vermehrte Sonnenwärme in dieser die Luft verdünnt und einen Rückzug | ||||||
| 32 | von dem Äquator zu der nordlichen temperirten Zone hin verursacht. | ||||||
| 33 | Dieser Wind erstreckt sich nicht weit in diesen gemäßigten Erdstrich | ||||||
| 34 | hinein, weil die Sonnenwärme zu der Zeit noch nicht viel Wirkung in | ||||||
| 35 | größerer Entfernung vom Äquator verrichten kann. Um diese Zeit, im | ||||||
| 36 | April= und Maimonate, wehen die Winde aus dem innern Äthiopien über | ||||||
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