Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 345 |
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| 01 | Bildung der Himmelskugeln aus dem ursprünglich in dem Raume des | ||||||
| 02 | Himmels, der nunmehr leer ist, ausgebreitet gewesenen Grundstoffe anzeigt, | ||||||
| 03 | ist diejenige Übereinstimmung, die ich von dem Herrn von Buffon | ||||||
| 04 | entlehne, die aber in seiner Theorie bei weitem den Nutzen, als in | ||||||
| 05 | der unsrigen nicht hat. Denn nach seiner Bemerkung, wenn man die | ||||||
| 06 | Planeten, deren Massen man durch Rechnung bestimmen kann, zusammen | ||||||
| 07 | summirt, nämlich den Saturn, den Jupiter, die Erde und | ||||||
| 08 | den Mond: so geben sie einen Klumpen, dessen Dichtigkeit der Dichtigkeit | ||||||
| 09 | des Sonnenkörpers wie 640 zu 650 beikommt, gegen welche, da | ||||||
| 10 | es die Hauptstücke in dem planetischen System sind, die übrigen Planeten | ||||||
| 11 | Mars, Venus und Mercur, kaum verdienen gerechnet zu werden; | ||||||
| 12 | so wird man billig über die merkwürdige Gleichheit erstaunen, die | ||||||
| 13 | zwischen der Materie des gesammten planetischen Gebäudes, wenn es | ||||||
| 14 | als in einem Klumpen vereinigt betrachtet wird, und zwischen der | ||||||
| 15 | Masse der Sonnen herrscht. Es wäre ein unverantwortlicher Leichtsinn, | ||||||
| 16 | diese Analogie einem Ungefähr zuzuschreiben, welcher unter einer | ||||||
| 17 | Mannigfaltigkeit so unendlich verschiedener Materien, deren nur allein | ||||||
| 18 | auf unserer Erde einige anzutreffen sind, die 15tausendmal an Dichtigkeit | ||||||
| 19 | von einander übertroffen werden, dennoch im Ganzen dem Verhältniß | ||||||
| 20 | von 1 zu 1 so nahe kommen; und man muß zugeben, daß, | ||||||
| 21 | wenn man die Sonne als ein Mengsel von allen Sorten Materie, die | ||||||
| 22 | in dem planetischen Gebäude von einander geschieden sind, betrachtet, | ||||||
| 23 | alle insgesammt sich in einem Raume scheinen gebildet zu haben, der | ||||||
| 24 | ursprünglich mit gleichförmig ausgebreitetem Stoffe erfüllt war, und | ||||||
| 25 | auf dem Centralkörper sich ohne Unterschied versammlet, zur Bildung | ||||||
| 26 | der Planeten aber nach Maßgebung der Höhen eingetheilt worden. | ||||||
| 27 | Ich überlasse es denen, die die mechanische Erzeugung der Weltkörper | ||||||
| 28 | nicht zugeben können, aus den Bewegungsgründen der Wahl Gottes | ||||||
| 29 | diese so besondere Übereinstimmung, wo sie können, zu erklären. Ich | ||||||
| 30 | will endlich aufhören, eine Sache von so überzeugender Deutlichkeit, | ||||||
| 31 | als die Entwickelung des Weltgebäudes aus den Kräften der Natur | ||||||
| 32 | ist, auf mehr Beweisthümer zu gründen. Wenn man im Stande ist, | ||||||
| 33 | bei so vieler Überführung unbeweglich zu bleiben, so muß man entweder | ||||||
| 34 | gar zu tief in den Fesseln des Vorurtheils liegen, oder gänzlich | ||||||
| 35 | unfähig sein, sich über den Wust hergebrachter Meinungen zu der Betrachtung | ||||||
| 36 | der allerreinsten Wahrheit empor zu schwingen. Indessen ist | ||||||
| 37 | zu glauben, daß niemand als die Blödsinnigen, auf deren Beifall man | ||||||
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