Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 041 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
Randtext (Kant)
|
|
||||
| 01 | der in Bewegung ist, aus den Notionen müssen hergeleitet werden, die | ||||||
| 02 | in der Betrachtung der Geschwindigkeit, der Masse und der Zeit begriffen | ||||||
| 03 | sind, so werden sie, wenn sie richtig herausgezogen sind, keine | ||||||
| 04 | Folgerungen darbieten, die die lebendigen Kräfte festsetzen. Und wenn | ||||||
| 05 | es scheint, daß sie ihnen diesen Dienst leisten, so traue man diesem | ||||||
| 06 | Scheine nicht, denn es würde alsdann in den Folgerungen mehr enthalten | ||||||
| 07 | sein, als die Grundsätze in sich faßten, d. i. das rationatum | ||||||
| 08 | würde größer sein als seine ratio . | ||||||
| 09 | Nach so vielfältigen und großen Bemühungen, die sich die Geometrer | ||||||
| 10 | dieser beiden Jahrhunderte gemacht haben, die Streitsache des Cartes | ||||||
| 11 | und des Herrn von Leibniz durch die Lehren der Mathematik abzuthun, | ||||||
| 12 | scheint es sehr seltsam zu sein, daß ich anfange dieser Wissenschaft | ||||||
| 13 | die Entscheidung derselben abzusprechen. Man hat zwar eine | ||||||
| 14 | Zeit her gestritten, ob diese Wissenschaft Cartesens Gesetze günstig sei, | ||||||
| 15 | oder ob sie die Partei des Herrn von Leibniz vertheidige. Allein bei | ||||||
| 16 | diesem Zwiespalte ist jedermann darin einig: daß man es, um die | ||||||
| 17 | Streitfrage der Kräftenschätzung recht aufzulösen, auf den Ausspruch | ||||||
| 18 | der Mathematik müsse ankommen lassen. Es ist wunderbar genug: | ||||||
| 19 | daß so große Schlußkünstler auf solche Abwege gerathen sein sollten, | ||||||
| 20 | ohne wahrzunehmen, oder auch nur daran zu gedenken, ob dieses auch | ||||||
| 21 | der Weg sei, der sie zum Besitz der Wahrheit führen könne, welcher | ||||||
| 22 | sie nachgespürt haben. Allein hier dünkt mich, daß ich Gründe finde, | ||||||
| 23 | die mich nöthigen alles das Wunderbare in den Wind zu schlagen, | ||||||
| 24 | und wohin sollte ich mich nach ihrem Ausspruche weiter wenden? | ||||||
| 25 | Die zweite Folge, die ich aus den vorhergehenden | Die Mathematik | |||||
| 26 | Betrachtungen ziehe, ist diese: daß die Gründe der | bestätigt | |||||
| 27 | Mathematik, an statt den lebendigen Kräften | schon ihrer | |||||
| 28 | günstig zu sein, vielmehr Cartesens Gesetz immer | Natur nach | |||||
| 29 | bestätigen werden. Dieses muß aus den Sätzen dieses | Cartesens | |||||
| 30 | §phi schon klar sein, und ich kann noch hinzusetzen: da | Gesetz. | |||||
| 31 | die mathematische Größen, die Linien, Flächen u. s. w., eben dieselbe | ||||||
| 32 | Eigenschaften haben, wenn sie noch so klein sind, als wenn sie wer | ||||||
| 33 | weiß was für eine Größe haben; und daher aus den kleinsten mathematischen | ||||||
| 34 | Größen, aus dem kleinsten Parallelogramm, aus dem Fall | ||||||
| 35 | eines Körpers durch die kleinste Linie, eben dieselbe Eigenschaften und | ||||||
| 36 | Folgerungen müssen hergeleitet werden können, als den größten von | ||||||
| 37 | diesen Gattungen. Wenn nun eine Linie, die eine Bewegung anzeigt, | ||||||
| [ Seite 040 ] [ Seite 042 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||