Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 040

     
           
 

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§ 28.
     
           
  02 Wir wollen aus dieser Betrachtung zwei Folgen von Die Mathematik    
  03 Wichtigkeit ziehen. kann die    
      lebendigen    
  04 Die erste ist: daß die Mathematik niemals Kräfte nicht    
  05 einige Beweise zum Vortheil der lebendigen erweisen.    
  06 Kräfte darbieten könne, und daß eine auf diese Weise      
  07 geschätzte Kraft, wenn sie sonst gleich statt hat, dennoch zum wenigsten      
  08 außerhalb dem Gebiete der mathematischen Betrachtung sei. Jedermann      
  09 weiß es, daß, wenn man in dieser Wissenschaft die Kraft eines      
  10 mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegten Körpers schätzen will, man      
  11 an keinen bestimmten Augenblick der in der Bewegung verflossenen      
  12 Zeit gebunden sei, sondern daß in Absicht auf diese Einschränkung      
  13 alles unbestimmt und gleichgültig sei. Es ist also die Schätzung der      
  14 Kraft bewegter Körper, die die Mathematik darreicht, von der Art,      
  15 daß sie sich über alle Bewegungen überhaupt erstreckt, die Zeit, die      
  16 darüber verflossen ist, mag so kurz sein, wie man wolle, und daß sie      
  17 uns hierin gar keine Grenzen setzt. Eine Schätzung von der Art aber      
  18 geht auch auf die Bewegung der Körper, die im Anfange ist (§ 25. 26)      
  19 und die also todt ist und die schlechte Geschwindigkeit zu ihrem Maße      
  20 hat. Und da die lebendigen Kräfte mit den todten zugleich unter      
  21 einerlei Schätzung nicht begriffen sein können: so sieht man leicht, da      
  22 die erstere von einer mathematischen Betrachtung gänzlich ausgeschlossen      
  23 sind.      
           
  24 Überdem betrachtet die Mathematik in der Bewegung eines      
  25 Körpers nichts wie die Geschwindigkeit, die Masse und noch etwa die      
  26 Zeit, wenn man sie dazu nehmen wollte. Die Geschwindigkeit ist niemals      
  27 ein Grund der lebendigen Kraft; denn der Körper, wenn er      
  28 gleich nach der Meinung der Leibnizianer eine lebendige Kraft besäße,      
  29 würde sie doch nicht in allen Augenblicken seiner Bewegung haben      
  30 können, sondern es würde eine Zeit nach dem Anfange derselben sein,      
  31 darin er sie noch nicht hätte, ob in ihm gleich alle Geschwindigkeit      
  32 schon vorhanden wäre (§ 25. 26). Die Masse ist noch viel weniger      
  33 ein Grund zu derselben. Endlich haben wir eben dasselbe auch von      
  34 der Zeit erwiesen. Es hat also die Bewegung eines jeden Körpers,      
  35 besonders genommen, nichts in sich, was in einer mathematischen Erwägung      
  36 eine ihr beiwohnende lebendige Kraft anzeigte. Weil nun      
  37 alle Schlüsse, die man von demjenigen macht, was ein Körper thut,      
           
     

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