Kant: Briefwechsel, Brief 74, Von Christoph Martin Wieland.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christoph Martin Wieland.      
           
  1. Febr. 1773.      
           
  Wohlgebohrner      
  Hochgeehrtester Herr Professor      
           
  Mit dem lebhaftesten Dancke erkenne ich die Freundschaft, so      
  Ew. Wohlgeb. mir in Dero verbindlichen Zuschrift vom 18ten pass.      
  zu erkennen geben. Sie haben schon viel für meinen Mercur gethan,      
  da Sie mir in der Person des Hrn. Kanters einen Substituirten      
  Collector anbieten, für dessen Zuverläßigkeit Ihre Empfehlung mir      
  Bürge ist. Aber, mein Vortreflicher Freund - erlauben Sie daß ich      
  mir schmeichle, Ihr Herz sey nicht abgeneigt mir diesen Nahmen zu      
  geben - Sie können noch viel mehr für mich thun, Sie können      
  durch eigene Beyträge den Werth meines Iournals sehr erhöhen.      
  Darf ich mir zur Erhörung dieses mir sehr angelegnen Wunsches      
           
  mir einige Hofnung machen? Ich will Ihnen nicht sagen, wie hoch ich      
  Sie, unter der einzigen Seite die ich von Ihnen kenne, als Philosophischen      
  Schriftsteller schätze. Wenn ich Autoren einander aus      
  Leibeskräften ins Angesicht loben höre, so empfinde ich dabey ungefehr      
  die nehmliche Bewegung die mich ankömt, wenn ich die Geheimen      
  Räthe eines deutschen Prinzen einander alle Augenblick die Excellenz      
  in den Bart werfen höre. Aber soviel darf ich Ihnen doch sagen,      
  daß ich auch nur wenige Bogen von Ihnen für einen unschäzbaren      
  Beytrag zu einer Unternehmung welche ich gerne für unsre ganze      
  Nation interessant machen möchte, ansehen würde. Ich würde es      
  Ihnen lediglich überlassen ob Sie in dem 1ten. 4ten. 5ten oder welchem      
  andern Artikel Sie arbeiten wollten; so wie ich auch überhaupt      
  niemalen unbescheiden genug seyn würde, praetensionen zu machen,      
  sondern es immer auf Ihre Convenienz ankommen lassen wollte, wie      
  oft oder selten Sie mich mit Ihren Beyträgen beehren wollten. Ie      
  öfter je lieber, dies versteht sich. Noch ein andrer kleiner Umstand      
  versteht sich auch von selbst, nehmlich daß ich zwar jede Production      
  des Genies an sich für eben so unbezahlbar halte als ein Gemählde      
  von Raphael; indessen aber und da nun einmal Manuscripte, ungefehr      
  nach Proportion ihres relativen Werthes eine gewisse valeur numeraire      
  haben, fest entschlossen bin, Beyträge von der Art wovon itzt die      
  Rede ist, besser als irgend ein Sosius in der Welt, zu honoriren.      
  Dies, Mein theurester Herr, soll kein Beweggrund seyn; der Himmel      
  verhüt es daß Sie einen solchen Beweggrund vonnöthen haben sollten,      
  vielmehr mich als jemand andren mit Ihren Mscpten zu beehren.      
  Indessen würde ich selbst, wenn ich gleich den Stein der Weisen      
  besäße, meine Mspte nicht leicht umsonst weggeben, und ich sehe nicht      
  warum nicht jeder Schriftsteller so dencken sollte.      
           
  Den Einschluß bitte so gütig zu seyn, dem HEn Kanter zu übergeben,      
  und zu Beförderung der Sache sich ferner soviel möglich zu      
  verwenden.      
           
  Ich habe die Ehre mit wahrester Hochachtung zu seyn      
           
    Ew. Wohlgebohren      
    gehorsamster und ergebenster Diener      
    Wieland.      
  Weimar d. 1. Februar        
  1773.        
           
           
           
           
     

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