Kant: Briefwechsel, Brief 336, Von Simon Schlesier. |
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Von Simon Schlesier. | |||||||
13. Oct. 1788. | |||||||
Wohlgebohrner und Höchstgelehrter Herr, | |||||||
Höchstzuehrender Herr, | |||||||
Professor | |||||||
Die Vorurtheile, wodurch noch viele Gelehrte verhindert werden, | |||||||
Ihre Talente zu erkennen; und sich zu überzeugen, um wieviel Ew. | |||||||
Wohlgeboren, durch die Bestimmung der Grenzen unserer Erkenntnis, | |||||||
das menschliche Geschlecht seinem Ziele näher gebracht haben, erregen | |||||||
bei jedem der diese Verdienste schäzt, um so mehr ganz gerechten Unwillen, | |||||||
als diese Vorurtheile das Ansehen der Undankbarkeit gewinnen. | |||||||
Dies bewegte mich mit Ernst zu untersuchen, ob ich zur Beschämung | |||||||
dieser Männer, etwas mit beytragen könnte, und ich habe | |||||||
mit Zusammennehmung dessen, so ich als Ihr vormaliger Zuhörer einsehen | |||||||
gelernt, nach einigem Nachdenken die beygefügte kleine Schrift verfertiget. | |||||||
Der Buchdrucker Hendel zu Halle, dem ich sie unentgeldtlich, zum | |||||||
Drucken einhändigte, und der sie dem dasigen Professor Klügel, zur | |||||||
Censur übergeben, versicherte mich zwar, daß dieser ein vortheilhaftes | |||||||
Urtheil darüber gefället, indes wurde doch mit dem Druck, so lange | |||||||
Anstand genommen, daß ich besorgte, der Mann habe mich blos, auf | |||||||
eine schmeichelhafte Art täuschen wollen, und sie deswegen zurücknahm. | |||||||
Um mich nun gewisser zu überzeugen, ob ich durch diese Schrift, Wahrheit | |||||||
oder Irrthum ins Publicum bringen möchte, habe ich solche, lieber | |||||||
Ew. Wohlgeboren Prüfung unterwerffen und mir darüber Ihr Urtheil | |||||||
ganz gehorsamst erbitten wollen. Ich glaube wohl, daß der Inhalt | |||||||
nicht weitläuftig genung, um eine besondere Disciplin auszumachen, | |||||||
und daß man also dem Gegenstande derselben, auch nicht ganz füglich | |||||||
das Ansehen einer Wissenschaft geben kann; jedoch kann ich mir sehr | |||||||
wohl ein eigenes Ganze davon dencken, und dies bewegte mich, den | |||||||
vorgesezten Titel zu wählen, weil meines Erachtens, dadurch, auch | |||||||
noch dem Wercke selbst, mehr Eingang geschaft werden sollte. Wäre | |||||||
dem so, daß Ew. Wohlgeboren das Manuscript, einer Ausgabe werth | |||||||
hielten: so bitte ich ganz gehorsamst, solches gelegentlich, dem Verleger | |||||||
Ihrer Schriften, zum Drucke zu empfehlen, und schmeichele mir, da | |||||||
er es ohne Entgeltung, aus den Händen Ew. Wohlgeboren wohl annehmen | |||||||
wird. Sollte es jedoch Ew. Wohlgeboren, nichtgefällig sein, | |||||||
diese Mühwaltung zu übernehmen: so bitte ich ganz gehorsamst, meine | |||||||
Freiheit zu entschuldigen, uud so wie ich alsdenn, das Manuscript | |||||||
wiedererwarte, so habe ich die Ehre zu versichern, daß ich jederzeit | |||||||
mit der vollkommensten und aufrichtigsten Hochachtung bin | |||||||
Ew. Wohlgeboren | |||||||
Warschau | ganz gehorsamster | ||||||
den 13ten Octbr 1788. | Diener | ||||||
S. Schlesier | |||||||
Ich wohne in der Böttcher=Straße (Ulica Bednarska) in dem | |||||||
Hause des HE. Obuschinski, 2 Treppen hoch, neben dem Schneider Schulz. | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 548 ] [ Brief 335 ] [ Brief 337 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |