Kant: Briefwechsel, Brief 322, An Carl Leonhard Reinhold.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Carl Leonhard Reinhold.      
           
  7. März 1788.      
           
  Nehmen Sie, Theurester Mann! meinen wärmsten Dank für die      
  Bemühungen und so gar Verfolgungen an, die Sie für eine Sache      
  übernehmen, zu deren Bearbeitung ich vielleicht den ersten Anlas gab,      
  die Vollendung aber, Aufhellung und Verbreitung von jüngeren, so      
  geistvollen, zugleich aber auch so redlich gesinneten Männern, als sie      
  in Ihrer Person angetroffen hat, erwarten muß. Es ist so was Einleuchtendes      
  und Beliebtes, zugleich im Zusammenhange mit großen      
  Anwendungen Durchgedachtes, in Ihrer Darstellungsart, daß ich mich      
  auf Ihre Einleitung in die Crit. zum voraus freue. Herr Vlrich      
  arbeitet durch seine oppositions=Geschäftigkeit wieder seine eigene Reputation;      
  wie denn seine letztere Ankündigung, eines mit den alten gewöhnlichen      
  Sophistereyen aufgestutzten Naturmechanismus, unter dem      
  leeren Nahmen von Freyheit, seinen Anhang gewiß nicht vergrößern wird.      
  Uberhaupt ist es belehrend, wenigstens für die, die sich nicht gerne in      
  controversen einlassen, beruhigend, zu sehen, wie die, welche die Critik      
  verwerfen, sich in der Art, wie es besser zu machen sey, gar nicht      
  einigen können und man hat nur nöthig ruhig zuzusehen und allenfalls      
  nur auf die Hauptmomente des Misverstandes Gelegenheit Rücksicht      
  zu nehmen, übrigens aber seinen Gang unverändert fortzusetzen, um      
           
  zu hoffen, daß sich nach und nach alles in das rechte Gleis beqvemen      
  werde. Des Herren Prof: Jacob Anschlag ein zu diesen Prüfungen      
  bestimmtes Iournal zu Stande zu bringen, dünkt mich ein glücklicher      
  Einfall zu seyn, wenn man zuvor, wegen der dabey anzustellender erster      
  Arbeitern hinlänglich Abrede genommen haben würde. Denn ohne      
  hiebey einmal die Behauptung, oder deutlicher Bestimmung des vorliegenden      
  Systems, zur eigentlichen Absicht zu machen, so wäre dieses      
  eine noch nicht gesehene Veranlassung, nach einem regelmäßigen Plane,      
  die strittigsten Puncte der ganzen speculativen Philosophie, sammt der      
  practischen, in ihren Principien durch und durch zu prüfen, wozu      
  sich mit der Zeit manche im Stillen denkende Köpfe gesellen würden,      
  die sich nicht in weitläuftige Arbeiten einlassen wollen und in kurzen      
  Aufsätzen (die aber freylich meist lauter Kern und nicht so viel Schaale      
  seyn müßten) ihre Gedanken mitzutheilen nicht weigern würden. Vor      
  der Hand würde ich dazu HEn Prof: Bering in Marburg, auch allenfals      
  unsern Hofprediger Schultz zu Mitarbeitern vorschlagen. Persönlichkeiten      
  müßten ganz wegfallen und Männern die, wenngleich ein      
  wenig eccentrisch, wie Schlossern und Iacobi, müßte daselbst auch      
  ein Platz offen gelassen werden. Doch davon Künftig ein Mehreres.      
           
  Ich bin dieses Sommersemestre durch sehr durch ungewohnte Arbeit,      
  nämlich das Rectorat der Vniversitaet (welches, zusammt dem      
  Decanat der philos. Facult. mich in drey Iahren hintereinander 2mal      
  getroffen hat) belästigt. Dem ungeachtet hoffe ich doch meine Critik      
  des Geschmacks um Michael liefern und so mein critisches Geschäfte      
  vollenden zu können. - Für die Bemühung, die Sie sich um meine      
  im D. Merkur eingerückte ziemlich nüchterne Abhandlung gegeben      
  haben, danke ich auf das verbindlichste; sie ist mit mehr Correktheit      
  gedrukt als sie verdient hat. Ihrem verehrungswürdigen Hrn Schwiegervater,      
  dessen Geist noch imer mit jugendlicher Lebhaftigkeit wirksam      
  ist, bitte meine größte Hochachtung und Ergebenheit zu versichern und      
  mich jederzeit anzusehen als ganz      
           
  Koenigsberg den Ihrigen      
  den 7 en Mart I Kant      
  1788        
           
           
           
           
     

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