Kant: Briefwechsel, Brief 300, An Christian Gottfried Schütz. |
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An Christian Gottfried Schütz. | |||||||
Königsberg, 25. Iun. 1787. | |||||||
Ein Exemplar von der zweiten Auflage meiner Kritik wird Ihnen, | |||||||
verehrungswürdiger Freund, Herr Grunert aus Halle hoffentlich überschickt | |||||||
haben; wo nicht, so wird es auf inliegendes Schreiben an ihn | |||||||
geschehen, welches ergebenst bitte, auf die Post zu geben. | |||||||
Wenn Sie eine Recension dieser zweiten Auflage zu veranstalten | |||||||
nöthig finden, so bitte gar sehr, einen mir unangenehmen Fehler der | |||||||
Abschrift darin bemerken zu lassen, ungefähr auf folgende Art: | |||||||
"In der Vorrede, S. XI. Z. 3 von unten ist ein Schreibfehler | |||||||
"anzutreffen, da gleichseitiger Triangel statt gleichschenkligter | |||||||
"(Euclid. Elem. Lib. I. Prop. 5) gesetzt worden." | |||||||
Denn obzwar aus der Anführung des Diog. Laert., daß der letztere | |||||||
gemeint werde, leicht zu ersehen ist, so hat doch nicht jeder Leser den | |||||||
Diogen. bei der Hand. | |||||||
Mein Verleger hat die Uebersetzung der zweiten Edition meiner | |||||||
Kritik ins Lateinische, bei Hrn. Prof. Born in Leipzig bestellt. Sie | |||||||
waren so gütig, sich dazu zu offeriren, die von ihm verfertigte Uebersetzung, | |||||||
wenn sie Ihnen heftweise zugeschickt würde, durchzusehen, um | |||||||
den Styl, der vielleicht zu sehr auf die Eleganz angelegt seyn möchte, | |||||||
mehr der scholastischen, wenngleich nicht so altlateinischen Richtigkeit | |||||||
und Bestimmtheit anzupassen. Wenn Sie noch dieselbe gütige Absicht | |||||||
hegen, so bitte mich wissen zu lassen, was mein Verleger Ihnen für | |||||||
diese Bemühung schuldig sey; meinerseits werde Ihnen dafür die größte | |||||||
Verbindlichkeit haben. Hrn. Prof. Born suche ich in beiliegendem | |||||||
Schreiben zu eben dieser Absicht zu disponiren. | |||||||
Ich habe meine Kritik der praktischen Vernunft so weit | |||||||
fertig, daß ich sie denke künftige Woche nach Halle zum Druck zu | |||||||
schicken. Diese wird besser, als alle Controversen mit Feder und Abel | |||||||
(deren der erste gar keine Erkenntniß a priori, der andere eine, die | |||||||
zwischen der empirischen und einer a priori das Mittel halten soll, | |||||||
behauptet), die Ergänzung dessen, was ich der spekulativen Vernunft | |||||||
absprach, durch reine praktische, und die Möglichkeit derselben beweisen | |||||||
und faßlich machen, welches doch der eigentliche Stein des Anstoßes | |||||||
ist, der jene Männer nöthigt, lieber die unthunlichsten, ja gar ungereimte | |||||||
Wege einzuschlagen, um das spekulative Vermögen bis aufs | |||||||
Uebersinnliche ausdehnen zu können, ehe sie sich jener ihnen ganz trostlos | |||||||
scheinenden Sentenz der Kritik unterwürfen. | |||||||
Herder's Ideen, dritten Theil, zu recensiren, wird nun wohl | |||||||
ein Anderer übernehmen, und sich, daß er ein Anderer sey, erklären | |||||||
müssen; denn mir gebricht die Zeit dazu, weil ich alsbald zur Grundlage | |||||||
der Kritik des Geschmacks gehen muß. Ich bin mit unwandelbarer | |||||||
Hochachtung und Ergebenheit etc. | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 489 ] [ Brief 299b ] [ Brief 301 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |