Kant: Briefwechsel, Brief 278, Von Daniel Ienisch. |
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Von Daniel Ienisch. | |||||||
25. Aug. 1786. | |||||||
Wohlgeborner u. Hochgelahrter, | |||||||
Besonders Hochzuehrender Herr Profeßor | |||||||
Wenn Ew. Wohlgeboren dieser mein erster Ausflug in die gelehrte | |||||||
Welt vor Augen kommen wird, so werde ich mir die Ehre, die meiner | |||||||
Wenigkeit dadurch wiederfährt, vielleicht schon in Haag in Holland, | |||||||
denken. Durch Ew. Wohlgeb. Güte allein ists, daß ich mich in so | |||||||
günstigen Verhältnißen befinde. HErrn Bibliothekar Biester, welchem | |||||||
Sie, mein HErr Profeßor mich so gütig empfohlen hatten, war einige | |||||||
Wochen nach meiner Ankunft in Berlin von Herrn Stuve in Braunschweig | |||||||
aufgetragen worden, ihm für einen der ihm anvertrauten jungen | |||||||
Herren einen Führer aufzufinden. HErr Biester theilte mir seinen | |||||||
Auftrag mit, u. ich trug kein Bedenken, denselben anzunehmen, um so | |||||||
mehr, da zugleich die Bedingung dabei war, den künftigen Eleven, | |||||||
aus Holland, als wohin ihn sein Vater, der in Batavia ist, aus Indien | |||||||
geschickt habe, selbst abzuholen; es war iezt mein Plan, ein wenig mehr | |||||||
ins Freie des Menschen=Lebens zu kommen, und nicht mehr blos durch | |||||||
die Fenstern der Studierstube in die Welt hineinzusehen. Ich reise | |||||||
also iezzo als morgen den 26 August von Berlin nach Haag, oder | |||||||
vielmehr dem Landgut Fiin bey Haag ab, halte mich daselbst etwa einen | |||||||
Monat auf, u. kehre sodann nach Braunschweig mit meinem künftigen | |||||||
Eleven zurük, woselbst er in dem von Stuve angelegten Institut alle | |||||||
Lehrstunden besucht u. an mir ausser zween Wiederholungsstunden blos | |||||||
einen Führer u. Aufseher hat. Ich habe also die erwünschte Aussicht, | |||||||
bei einer glücklichen Muße, in der Nähe einer gerühmten ansehnlichen | |||||||
Bibliothek dasjenige zu bearbeiten, was ich mir für die Zukunft zu | |||||||
bearbeiten vorgesezt habe. | |||||||
Mit wie viel Gütigkeit mir auch immer von manchen andern | |||||||
Männern in Berlin, an welche ich von Königsberg aus, empfohlen | |||||||
war, begegnet worden: so habe ich doch, Dank sey es Ihnen, mein | |||||||
gütigster Herr Profeßor, Herrn Bibliothekar Biestern, selbst ohne diesen | |||||||
leztern Antrag, die mehreste Verbindlichkeit. Nicht selten habe ich zu | |||||||
Mittage oder zu Abend bey demselben zu speisen die Ehre gehabt; u. | |||||||
so manche trauliche Unterhaltung desselben über das praktische Leben, | |||||||
wird mir für die Zukunft sehr belehrend seyn. | |||||||
Wenn ich weiß, wie viele Achtung Herr Biester für Ihren Namen, | |||||||
mein Herr Profeßor, hegt: würde ich nicht mit Recht es mir als das | |||||||
belohnendste für so viele Gütigkeiten des Herrn Doktors denken, wenn | |||||||
Ew. Wohlgeb. in einer Zeile eines gelegentlichen Briefes es demselben | |||||||
sagten, wie sehr ich iede der Aufmerksamkeiten deßelben für mich, empfinde? | |||||||
Sie waren schon so gütig, mein Herr Profeßor, bis dahin | |||||||
gegen mich: thun Sie diese letztere Verpflichtung zu so vielen andern | |||||||
noch hinzu. | |||||||
Ich habe keinen Augenblick in Berlin Ursache gehabt, meinen | |||||||
Schritt, Königsberg zu verlaßen, zu bereuen. ich dachte von Berlin | |||||||
sehr groß, aber in den drey Monaten meines Aufenthaltes darin habe | |||||||
ich noch mehr darin gefunden, als ich erwartet hatte. Die prächtigen | |||||||
Gebäude der Stadt, u. der Geschmak, der bis in die kleinsten Dinge | |||||||
darin herrscht, haben mich bei iedem Schritt auf die Straße, entzückt, | |||||||
u. in ieder Woche habe ich beynahe immer wenigstens einen halben | |||||||
Tag zugebracht, um die Häuser dieser wahren Königsstadt anzustaunen. | |||||||
Von den Einwohnern Berlin's getraue ich mir überhaupt zu sagen, | |||||||
daß hier dem Beobachter gleichsam eine offene Menschen=natur vor | |||||||
Augen liegt: die Seelen der Menschen scheinen hier alle mehr nach | |||||||
aussen zu wirken. So sehr auch "Mancherley" das Motto von Berlin | |||||||
ist, so ist doch dies der Haupt=ton darin. Die Ursachen davon sind | |||||||
klar; u. der neue Hof wird diese Stimmung u. diesen Berlinismus noch | |||||||
mehr befördern, so spricht's wenigstens alle Welt. | |||||||
4 Wochen vor dem Tode des Königes hatte ich das Glück, in | |||||||
einer Gesellschaft von fünfzehn Personen in Potsdamm drei Tage mich | |||||||
aufzuhalten, u. alle die königlichen Kostbarkeiten, die Zimmer, Gemählde | |||||||
u. Sammlungen, Statuen, MünzKabinet etc. zu sehen: nie habe ich | |||||||
15 Rthl mit mehr Freuden ausgegeben. es verlohnt sich, dafür allein, | |||||||
eine Reise von 84 Meilen zu machen. | |||||||
Ew. Wohlgeb. fahren fort, mich Ihres gütigsten Andenkens zu | |||||||
würdigen ich habe die Ehre, mich zu nennen | |||||||
Ew. Wohlgeb. | |||||||
Berlin | verpflichtetsten Schüler | ||||||
den 25 Aug. 1786. (den Tag vor meiner Daniel Ienisch. | Daniel Ienisch. | ||||||
Abreise nach Haag.) | |||||||
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