Kant: Briefwechsel, Brief 240, Von Iohann Erich Biester. |
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Von Iohann Erich Biester. | |||||||
Berlin, d. 5. Iun. 1785. | |||||||
Verzeihen Sie, theurester Mann, daß ich Ihnen nicht eher geantwortet | |||||||
habe. Ein hartnäkkiges Flußfieber, welches mich mehrere | |||||||
Monate durch im Bette hielt, machte es mir schlechterdings unmöglich. | |||||||
Ich freue mich, u. ich danke Ihnen herzlich, daß Sie mir zuweilen | |||||||
Aufträge geben wollen, wodurch ich doch einigermaßen in Stand gesetzt | |||||||
werde, Ihnen meine Ergebenheit zu beweisen. Sobald ich dazu im | |||||||
Stande war, schrieb ich an unsern Minister, u. redete hernach mündlich | |||||||
mit ihm, über Ihren Wunsch, dem H. Hippel die Pfarre zu Cremitten | |||||||
zuzuwenden. - Allein, der Minister, der (wie er mich noch | |||||||
bei dieser Gelegenheit versicherte) eine Empfehlung von Ihnen seiner | |||||||
ganzen Achtung würdigt, fand hierbei doch mehr Schwierigkeiten, als | |||||||
ich geglaubt hätte. Die Hauptsache ist eigentlich: daß weder er noch | |||||||
das Oberkonsistorium mehr wagen, eine Landpfarre mit einem von | |||||||
ihnen gewählten Subjekt zu besetzen; denn sowohl wenn sie mit der | |||||||
Wählung u. Bestimmung beschäftiget sind, als auch wenn die Ertheilung | |||||||
der Pfarre u. die Auslieferung des Patents völlig geschehen ist, tritt | |||||||
die Gemeine selbst den König an, u. erbittet sich Iemand zum Pfarrer. | |||||||
(Oft einen ganz Unwissenden, höchst Iungen, oft einen der einige Mitglieder | |||||||
der Gemeine bestochen hat; ja wie sich auch schon gefunden hat, | |||||||
zuweilen schreibt der Pfarrer selbst im Namen der Gemeine an den | |||||||
König, ohne daß diese was davon weiß.) Der König aber bewilligt | |||||||
solche Gesuche der Gemeinen beständig (weil er glaubt, in Dingen die | |||||||
ihm gleichgültig scheinen, nicht zu viel nachgeben zu können, u. stößt | |||||||
die Wahl des O. Consistoriums um. So zog neulich ein sehr geschikter | |||||||
Landgeistlicher mit Frau u. Kindern 1 1/2 Iahre herum; man hatte | |||||||
ihm eine bessere Pfarre gegeben, u. jene schlechtere sogleich wieder besetzt; | |||||||
bei der bessern aber bat sich die Gemeine selbst einen Pfarrer | |||||||
aus, jener Mann ward es also nicht, u. hatte nun nichts. Das Consistorium | |||||||
hielt es itzt für Pflicht, ihm die erste vakante Stelle zu geben, | |||||||
das that es dreimal hinter einander; aber jedesmal wenn er an den | |||||||
Ort seiner geglaubten Bestimmung hinzog, hatte sich die Gemeine | |||||||
einen andern ausgebeten, u. er mußte wieder fort. - Darum will | |||||||
der Minister nicht gerne sein Ansehn compromittiren; er lässt also | |||||||
die Sachen ihren gewöhnlichen Gang gehn, u. stößt der König dann | |||||||
eine Wahl des Consistor. um, so trift es doch nicht Ihn unmittelbar. | |||||||
Ia, er räth wohl selbst Geistlichen, denen er wohl will, daß ihre | |||||||
Freunde sich ihrentwegen an die Gemeinen wenden, damit diese sie sich | |||||||
zu Seelsorgern ausbitten. | |||||||
Ich habe Ihnen, verehrungswehrter Mann, dieses lieber ausführlich | |||||||
schreiben wollen, als bei Ihnen irgend einen Verdacht meiner | |||||||
Undienstfertigkeit erregen wollen. Ich hoffe, daß Sie so etwas gar | |||||||
nicht von mir denken werden; da ich ein großes Interesse habe, mich | |||||||
Ihnen gefällig zu bezeigen, da ich H. Hippels Bruder (in Königsberg) | |||||||
selbst kenne u. schätze, u. da ich nicht das geringste Interesse für irgend | |||||||
sonst Iemand bei dieser Pfarrstelle habe. | |||||||
Nehmen Sie beigehendes Quartal unsrer Mon.schrift gütigst auf, | |||||||
und nehmen Sie zugleich unsern herzlichsten Dank an für den vortreflichen | |||||||
Aufsatz, womit der Mai geziert ist. - Sie sind so gütig gewesen, | |||||||
uns wieder Hofnung zu ähnlichen Geschenken zu machen; gebrauchen | |||||||
Sie bald unsern Mund, um durch uns Ihre Rede ans Publikum zu | |||||||
bringen. | |||||||
Der letzte Aufsatz im Iunius ist, vermehrt, besonders abgedrukt | |||||||
worden. Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen einige Exemplare beizulegen. | |||||||
Ich weiß, daß Ihre Geschäfte zu häufig sind, um mir zu gestatten, | |||||||
Sie um eigentliche Beförderung dieser Subscription zu bitten. | |||||||
Indeß, wünschten wir doch sehr das gute Vorurtheil für unsre wohlthätige | |||||||
u. sicherlich gutgemeinte Absicht zu haben, daß ein Mann wie | |||||||
Kant nur ganz gelegentlich ein Wort zur Empfehlung dieser | |||||||
Stiftung fallen ließe. Und das, wissen wir, dürfen wir von | |||||||
Ihrem edlen Enthusiasmus für schöne Thaten u. gute Absichten uns | |||||||
versprechen. | |||||||
Mit der reinsten Hochachtung nenne ich mich | |||||||
Ihren | |||||||
ergebensten und verbundensten | |||||||
Biester. | |||||||
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