Kant: Briefwechsel, Brief 239, Von Iohann August Heinrich Ulrich. |
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Von Iohann August Heinrich Ulrich. | |||||||
Iena, den 21st April 1785. | |||||||
Wohlgebohrner, | |||||||
Hochgeschätztester Herr Professor, | |||||||
Ich würde mich nicht unterstanden haben, Ew. Wohlgeb. beyliegendes | |||||||
Schulbuch zu übersenden, wenn Sie nicht selbst durch das | |||||||
vortreffliche litterärische Geschenk, wofür ich Ihnen unendlich verbunden | |||||||
bin, mir einen ermunternden Beweis Ihrer gütigen Aufmercksamkeit | |||||||
auf meine Bemühung, von Ihnen, vortrefflicher Mann, so viel in | |||||||
meinen Iahren noch möglich ist, für mich und meine Zuhörer zu lernen, | |||||||
hätten geben wollen. | |||||||
Ew. Wohlgeb. werden zwar überall in meinem Buche Beweise | |||||||
finden, daß ich zu Ihren fleisigsten Lesern und Schülern gehöre, aber | |||||||
auch eben so mannigfaltige Proben, wie schwer es mir noch fällt, mich | |||||||
allenthalben so ganz in Ihr System hinein zu dencken; und ich bitte | |||||||
im voraus wegen mancherley Misverständnisse, deren Sie mich vielleicht | |||||||
schuldig finden dürften, um Verzeihung. | |||||||
Einer meiner Hauptzweifel, den ich noch bis dato nicht habe überwinden | |||||||
können, den aber Ew. Wohlgeb. vielleicht mit 2 Worten zu | |||||||
heben im Stande sind, ist dieser. Gesezt, der Gegner räumt mir ein: | |||||||
Nach dem Begriff der Erfahrung, den Sie sowohl in der Critik der | |||||||
r. V. als auch noch mehr in den Prolegomenen , festgesezt haben, | |||||||
und die Categorien, z. E. die der Ursache, und der Grundsaz | |||||||
der ursachl. Verbindung, die Bedingungen selbst der Möglichkeit | |||||||
solchartiger Erfahrung; Er läugnet mir aber, daß der Mensch auf | |||||||
Erfahrung in der Bedeutung Rechnung und Ansprüche machen | |||||||
dürfe, wie soll ich Ihm da kurz und gründlich begegnen? | |||||||
Ew. Wohlgeb. sehn, ich bin lehrbegierig genug, lieber meine | |||||||
Schwachheit zu verrathen, als die Gelegenheit zu entbehren, an der | |||||||
Quelle selbst Belehrung zu finden. | |||||||
Recht glücklich würde ich mich schätzen, da ich mir jezt ein eigenes | |||||||
Studium aus Ihrer Critick der r. V. und den darauf bereits gefolgten | |||||||
und noch zu hoffenden Schriften mache, wenn Ew. Wohlgeb. mir erlauben | |||||||
wollten, Ihnen von Zeit zu Zeit das, wo ich noch anstosse, | |||||||
entdecken, und mir darüber Aufklärung ausbitten zu dürfen. | |||||||
Fast befürchte ich unbescheiden zu werden, wenn ich noch eine | |||||||
Bitte wage, daß es doch Ew. Wohlgeb. gefällig seyn möchte, die Mühe | |||||||
einer kurzen Anzeige und Beurtheilung meiner Schrift für die hiesige | |||||||
Allgemeine Litteraturzeitung zu übernehmen; wofür ich mich ganz besonders | |||||||
verbunden achten würde. | |||||||
Ich bin mit ungeheuchelter Verehrung | |||||||
Ew. Wohlgeb. | |||||||
gehorsamster Diener | |||||||
Ioh. Aug. Heinr. Ulrich. | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 402 ] [ Brief 238 ] [ Brief 240 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |