Kant: Briefwechsel, Amtl. Schriftverkehr 21, An den Rector.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An den Rector.      
           
  3. Dec. 1797.      
           
  Academiae Rector Magnifice !      
           
  Auf die von Ew: Magnificenz mir d. d. den 22 November 1792 [1797]      
  bekannt gemachte Vorstellung Illustris Cancellarii et Direct. unserer      
  Akademie: bey E. Königl. Etatsministerio um Adiunctos bey zweyen      
  Senatsstellen, - von welchen auf die des Herrn Consistorialrath Reccard      
  einerseits und auf die meinige andererseits unverkennbar hingewiesen      
  wird, - anzuhalten, ermangle ich nicht folgende Gegenvorstellung      
  einzureichen; mit der Bemerkung daß dieser Vorschlag einen dreyfachen      
  Fehler enthalte, nämlich unrichtig in seiner Angabe, wiedersprechend      
  in seinem Plane und beleidigend in seiner Zumuthung zu seyn.      
           
  Erstlich ist es ganz unrichtig: daß jemand, der, ausdrücklich oder      
  stillschweigend, erklärt, er könne, Alters oder sonst körperlichen Unvermögens      
  halber, den Sessionen des Senats, als Glied desselben nicht      
  ferner beywohnen, dafür gehalten werden müsse, er habe seine Stelle      
  als stimmendes Senatsglied aufgekündigt. Denn in der letzteren Funktion      
  kann er sich immer thätig beweisen und jeder von den beyden hat es      
  auch bisher gethan, wenn die vota durch Capsulazion gesammelt werden;      
  von welcher Verfahrungsart wohl zu wünschen wäre, daß sie, vornehmlich      
  in wichtigen Fällen, mehr gebraucht würde: weil sie zu reifer      
  Ueberlegung mehr Zeit giebt. Die auffallendeste Unrichtigkeit aber in      
  der Vorstellungsart ist die: das gedachte zwey Glieder durch ihre mehr      
  als ein Iahr hindurch beständig fortgewährte Abwesenheit nicht von      
  der Academie, sondern von dem Sessionszimmer derselben sich für emeritos      
  haben erklären wollen: welcher Ausdruck da, wo er gebräuchlich      
  ist, - nämlich auf Reichsuniversitäten - denjenigen bedeutet, der,      
  nachdem er gäntzlich von der Akademie Abschied genommen, jubilirt,      
  d. i. in den Ruhestand gebracht und auf Pension gesetzt ist; ein Gebrauch      
  der bey uns unerhört ist und auch wohl immer bleiben wird.      
           
  Zweytens ist der vorgelegte Plan zur Ausfüllung jener zwey ledig      
  gewordenen Stellen, oder, wie es hier heißt, zu Bewirkung der Integrität      
  des Senats durch Adjunkten, welche - statt der jetzt von der      
  Session fortwährend Abwesenden für sich selbst stimmendseyn sollen,      
  ohne doch Glieder des Senats zu seyn - mit sich selbst im Wiederspruch:      
           
  nämlich der beabsichtigten Integrität gerade zuwieder. Denn      
  diese würden als Nichtglieder des Senats doch nur in ihrem eigenen      
  Nahmen, also nach Privatabsichten votiren können; - welches man von      
  einem Gliede desselben nicht präsumiren darf - mithin den vorgeblichen      
  Defekt des Senats nicht ergäntzen: weil sie keinen integrirenden      
  Theil desselben ausmachen.      
           
  Drittens ist die Zumuthung für beleidigend, nämlich das wohlbegründete      
  Recht der Senatoren schmälernd, anzusehen. - Illustri Cancellario      
  wird es noch erinnerlich seyn: wie in dem Streit über die      
  Stellvertretung des D. Bohliusschen Rektorats, bey dessen Unvermögen      
  es selbst zu führen, unter dem v. Zedlitzschen Obercuratorio durch ein      
  Königl. rescript entschieden und zum Gesetz gemacht worden, oder dieses      
  was es schon immer war nur in Erinnerung gebracht wurde, zu welchem      
  Sie selbst damals mitwirkten, eben dadurch aber auch das Recht der      
  Senatoren, auch in ihrer persönlichen Abwesenheit aus Unvermögen, zur      
  Amtsführung derselben, mitzuwirken stillschweigend anerkanten; welches      
  Sie ihnen jetzt strittig machen.      
           
  Aus den angeführten Gründen protestire ich nun wieder den gedachten      
  Entwurf und bin übrigens mit vollkommener und schuldiger      
  Hochachtung      
           
    Ew. Magnificenz      
    gantz gehorsamster Diener      
  Königsberg I. Kant      
  den 3 ten Decembr        
  1797.        
           
           
           
     

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