Kant: Briefwechsel, Brief 208, Von Iohann Schultz. |
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Von Iohann Schultz. | |||||||
21. Aug. 1783. | |||||||
Da die beiden lezten Ferien Wochen mir endlich einmal die längst | |||||||
gewünschte Muße verstattet, Ew. HochEdelgebohrnen Critick in ihrem | |||||||
Zusammenhange durchzudenken; so habe ich nicht länger Anstand nehmen | |||||||
wollen, das Publikum auf dieselbe nicht nur aufmerksam, sondern zugleich | |||||||
mit ihrem Zwecke und Inhalt auf eine faßliche Art bekannt zu | |||||||
machen. Bei Werken von sehr abstractem Inhalt ist es nur gar zu | |||||||
leicht, den Verfaßer zuweilen mißzuverstehen. Es würde daher für die | |||||||
Wißenschaften ein nicht geringer Vortheil seyn, wenn jeder Recensent, | |||||||
ehe er seine Anzeige drucken ließ, zuvor den Verfaßer, der doch der | |||||||
beste Ausleger seiner Worte ist, befrüge, ob er auch seinen wahren | |||||||
Sinn richtig getroffen. So würde weder dem V. etwas aufgebürdet, | |||||||
noch das Publikum getäuscht. Nun ist dieses zwar vieler Umstände | |||||||
wegen nicht immer thunlich. Allein da es im gegenwärtigen Falle | |||||||
wirklich angeht; so habe ich meine Anzeige nicht eher bekannt machen | |||||||
wollen, bis ich erst von Ew. HochEdelgeb. versichert bin, ob ich Ihre | |||||||
Gedanken auch adäqvat ausgedrücket habe. Sobald ich dieses weiß, | |||||||
werde ich mein geringes Urtheil über dieses mir so schäzbare Werk | |||||||
beifügen, und, da es mir bloß um Wahrheit zu thun ist, auch dieses erst | |||||||
Ihrer Prüfung vorlegen. Ich ersuche Sie daher ergebenst, da, wo ich | |||||||
etwa Ihren Sinn nicht erreichet hätte, die Stelle auf einem besondern | |||||||
Zettel anzuzeigen, und Dero wahre Meinung nur kurz beizufügen, | |||||||
damit ich mein Manuscript darnach verbeßern kann. Das wenige, | |||||||
was noch wegen der Moraltheologie, die das Werk krönt, beizubringen | |||||||
ist, habe ich noch wegen Mangel der Zeit zurücklaßen müßen, werde | |||||||
es aber ehestens hinzusezzen. Mit der größesten Hochachtung verbleibe | |||||||
Ew: HochEdelgeb. | |||||||
ganz ergebenster Diener | |||||||
Königsberg | J Schultz | ||||||
den 21sten Aug. 1783. | |||||||
P. S. Uber folgende Frage erbitte mir geneigte Aufklärung: | |||||||
Ist nicht in den 4 Claßen der Categorien jede dritte schon ein von | |||||||
den beiden erstern abgeleiteter Begrif? | |||||||
Nämlich: Allheit ist eine Vielheit, in welcher keine Einheit fehlt | |||||||
od. negirt wird | |||||||
Einschränkung ist eine Realität, die Negationen enthält | |||||||
Gemeinschaft ist dasjenige Verhältniß der Substanzen, | |||||||
da jede in Ansehung der übrigen Ursache und Wirkung | |||||||
zugleich ist | |||||||
Nothwendigkeit ist die Unmöglichkeit des Nichtdaseyns. | |||||||
Mehrere Fragen hinzuzufügen, erlaubt mir jezo die Zeit nicht. | |||||||
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