Kant: Briefwechsel, Brief 180, Von Iohann Heinrich Kant mit Nachschrift seiner Frau. |
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Von Iohann Heinrich Kant mit Nachschrift seiner Frau. | |||||||
10. Sept. 1732. | |||||||
Liebster Bruder! | |||||||
Die meiner Frau übersandte Haus=Mutter machte ihr eine desto | |||||||
frapantere Freude; da sie sich nun ganz fest einbildete, Du hättest ihre | |||||||
dreyste Bitte übel genommen und würdest jezt nicht weiter an sie | |||||||
dencken. Aus diesem Buche will sie sich nun, zu einer recht wackeren | |||||||
Landwirthin ausbilden, welches jtzt auch für mich ein neues Studium ist, | |||||||
da die Vorsehung mich auf meine übrige Lebensfrist, von der Schule an | |||||||
den Pflug versetzet hat. Ich bin nun Prediger eines lettischen Kirchsprengels, | |||||||
von recht weitläuftigem Umfange. Eine beträchtliche Anzahl, der | |||||||
in dem angränzenden Lithauen wohnenden Protestanten, hält sich auch | |||||||
zu meiner Gemeine, und fordert mich oft zu Excursionen, bey ihren | |||||||
Krancken auf. Dieses Amt hatt also seine große Fatiguen, die ich aber, | |||||||
bey meinem durchweg gesunden, und starken Körper, nicht achte. Außerdem | |||||||
ist meine neue Situation, weit angenehmer, als das lästige Schulamt | |||||||
war, das mich mit überhäuften Arbeiten, und bey sehr knap | |||||||
zugeschnittenem Einkommen, zugleich, mit Nahrungs= und Familien | |||||||
Sorgen niederdrückte. Diese Bürde, habe ich 6 Iahre getragen, Gott | |||||||
sey für meine Ausspannung gedanckt. Iezt genieße ich Zufriedenheit, | |||||||
und meine Aussicht wird noch angenehmer werden, wenn ich mich erst | |||||||
aus dem Embarras von Schulden, werde losgewickelt haben, die ich, | |||||||
als ein angehender Landwirth, der Vieh, Pferde, Wagen, und tausenderley | |||||||
Sachen nöthig hat, machen mußte. Mein Pastorat, ist von Mietau 6, | |||||||
und von Riga 10 Meilen entfernt, und nach der letzteren Stadt verführe | |||||||
ich, meine Crescentien. Die Gegend, in der ich lebe, ist, so | |||||||
reitzend, daß ein Zeichner, der in Curland herumreisen wolte, vüen | |||||||
aufzunehmen, diese gewiß nicht weglaßen würde. Meine Aecker sind | |||||||
fruchtbar, und bey meinem Hause, ist ein schöner Garten, der in Curland | |||||||
schon Aufsehen macht. Einen einzigen Fehler hat mein Aufenthalt, | |||||||
er ist beynahe ganz Umgangsleer. Meine Dioecoese, ist fürstl. Domaine, | |||||||
in welcher kein Adel wohnt. Doch Wirthschaft und lecture, lassen mich | |||||||
dieses Oede kaum fühlen. Mit meiner ehrlichen, häuslichen, liebreichen | |||||||
Frau lebe ich einträchtig und zufrieden. Und dieses häusliche Glück, | |||||||
machen mir meine lieben Kinder, vollends recht schmackhaft, zwey | |||||||
muntre geistvolle Mädchen, Charlotte, und Minna, und dann an die | |||||||
Stelle meine[s] Eduards denn ich schon für einigen Iahren verlor, ein | |||||||
frischer Friedrich Wilhelm, welcher nun bald sein 1 stes Iahr durchlebt | |||||||
hat. Das ist nun so, eine flüchtig angelegte Squizze, meiner gegenwärtigen | |||||||
Lage. Für deren Mittheilung, ich dich recht sehr mein Bruder | |||||||
bitte, mir doch auch wieder einmahl etwas, von deinem Gesundheits | |||||||
Zustande, von deiner Zufriedenheit, von deiner litterarischen Würksamkeit, | |||||||
und dann auch davon Nachricht zu ertheilen, wie es, unsren | |||||||
verehrungswürdigen Verwandten, Oheim, und Tante Richter, und unsren | |||||||
Schwestern ergehet. So sehr bin ich doch noch nicht depayisirt, da | |||||||
mir meine Vaterstadt mein Geschwister, und meine Verwandte ganz | |||||||
gleichgültig geworden. Deine Critic der gereinigten Vernunft, hat hir | |||||||
die Stimmen aller Denker. Rude donatus, wirst du als Autor doch | |||||||
wohl noch nicht seyn. Könte denn wohl dein Bruder nicht auf den | |||||||
kleinen Vorzug Anspruch machen, zum voraus, ehe das Publicum dich | |||||||
liest, unterrichtet zu seyn, womit du es beschenken wilst.? Lebe glücklich | |||||||
und heiter mein Bruder, erfreue mich bald mit einem Briefe auf den | |||||||
ich sehnlich warte und liebe deinen Bruder | |||||||
Ioh. Heinrich Kant. | |||||||
Altrahdensches Pastorat den 10. Sept 1782. | |||||||
Liebster Herr Bruder | |||||||
Ich schließe mich an meinen Man an, mit den herzlichsten Dancke | |||||||
für das furtrefliche werck das Sie mir geschenckt haben aus dem ich | |||||||
mich zu einer Profeßorin, in der wirthschaft studieren will | |||||||
Lieben Sie doch eine Schwägerin, die ohne Hofnung Sie Iemahls | |||||||
persönlich zu umarmen, Ihnen ihr Herz widmet. Meine kleinen Töchter, | |||||||
empfehlen sich ihrem oncle und würden wenn es möglich wäre gerne herüber | |||||||
fliegen Ihm die Hand zu küßen, Meineme kleinen Sohne müßen Sie | |||||||
auch gut seyn. Es ist ein guter Iunge, der Ihrem Namen, dereinst | |||||||
keine Schande machen soll dencken Sie dann an uns alle, und Besonders, | |||||||
an Ihre | |||||||
Ihnen mit Wärme | |||||||
ergebene Schwester | |||||||
Maria Kant | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 287 ] [ Brief 179 ] [ Brief 180a und b ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |