Kant: Briefwechsel, Brief 139, Von Christian Iacob Kraus.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christian Iacob Kraus.      
           
  11. Aug. 1778.      
           
  Mein gütigster Herr Profeßor,      
  Die Antwort des rußischen Gesandten befremdet mich nicht im      
  geringsten. Ich finde es so natürlich, daß er die Zumuthung einen      
  Fremden in sein Haus aufzunehmen und zu versorgen, durch allerhand      
  Entschuldigungen abzulehnen sucht, daß ich wirklich gestutzt und ihm      
  kaum recht getraut haben würde, wenn er statt der Entschuldigungen {      
  eine förmliche Einladung an mich hätte ergehen laßen. Alles was ich      
  von ihm erhalten wollte, und im Vertrauen auf den Nachdruk der      
  gräflichen Empfehlungen auch gewissermaaßen von ihm erwartete, war,      
  daß er mich bey vorfallender Gelegenheit zum Führer iunger Herren,      
  die auf Academien reisen, oder zu irgend einem andern Posten, dem      
  ich durch meine Deutsche und englische Sprachkenntniß, und zwar blos      
  allein durch diese, Gnüge thun könnte, vorschlagen, und dann von dem      
  Erfolg seiner Empfehlungen zu gehöriger Zeit Nachricht geben möchte.      
  Das war der eigentliche Punct worauf ich meine Hofnung zur Reise      
  gründete, und deßen wird in der Antwort gar nicht gedacht. Ich bilde      
  mir ein, daß wenn ihm mein Anliegen blos von dieser Seite vorgestellt      
  und alle Empfehlungen blos auf den Punct gerichtet worden wären;      
  seine Antwort nach meinem Wunsch ausgefallen wäre: und vielleicht      
  kann dies noch geschehen. Wenigstens will ichs wagen Ihro Excellenz      
  noch einmahl darum zu bitten. Ich will deshalb mit nächster Post      
  nach Schlodien an sie schreiben oder allenfalls hinreisen und mündlich      
  darüber mit Ihnen sprechen.      
           
  Ich sehe nicht ab, was mir die Gibsonschen Empfehlungen helfen      
  können. Zu meinem Zwek, nämlich mich als angehenden Gelehrten      
  zu empfehlen, vermögen, meines Erachtens, kaufmännische Empfehlungen      
           
  überhaupt, und so auch die Gibsonschen, fast gar nichts, und dies bey      
  Seite gesetzt, können sie mir doch, wie es scheint, zu weiter nichts      
  dienen, als mir hie oder da eine Invitation zum Mittagsessen oder zu      
  einem Festin zu verschaffen; Vortheile, die ich durch den Eintritt in      
  den Fräumäurerorden, wozu ich mir Wege gebahnt habe, viel leichter      
  und sicherer erhalten kann.      
           
  Ich bin noch immer so warm als iemals für die Reise nach England      
  eingenommen. Aber ich glaube beßer zu thun wenn ich statt      
  auf die leere Empfehlungen diser oder [oder] iener Handlungshäuser zu      
  bauen, lieber baares Geld fertig halte, um künftiges Frühiahr für      
  mein eigen Geld die Reise, so lange es vorhält, thun zu können. Es      
  komt meiner Meynung nach nicht so sehr darauf an nach England zu      
  reisen, als unter solchen Umständen dahin zu reisen, daß ich den größt      
  möglichen Nutzen davon habe.      
           
  Mein Plan ist also der. Ich bleibe bis künftiges Frühiahr hier      
  in Konigberg; aber nur bis MichaeI bey Sr Excellz dem Grf      
  Kayserling: arbeite mitlerweile meine Preisschrift für die Academie      
  von Berlin aus und reise im Anfange des Mayes künftigen Iahres      
  mit 100 Ducaten die mir mein Bruder anbietet, nach England, ohne      
  auf andere Empfehlungen als die der Fräumäurerloge zu achten.      
           
  Allen Dank zu dem Sie sich gegen einen Wohlthäter, dem Sie so viel      
  als ich Ihnen zu verdanken hätten, für verpflichtet erachten würden,      
  können Sie von mir erwarten. Das schmeichle ich mir, werden Sie schon      
  bemerkt haben, daß nichts die Ehrfurcht und Liebe übertrift, womit ich bin      
           
    Ihr      
  Elbing ergebenster Diener      
  d 11ten August 1778. Christ. Jac. Kraus.      
           
           
           
     

[ abgedruckt in : AA X, Seite 239 ] [ Brief 138 ] [ Brief 139a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ]