Kant: Briefwechsel, Brief 10, Von Iohann Gotthelf Lindner. |
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Von Iohann Gotthelf Lindner. | |||||||
19. Iuni 1759. | |||||||
Hochedelgeborner | |||||||
Hochzuehrender HE. Magister | |||||||
Geschätzter Freund! | |||||||
Ich führe Ihnen hiemit wieder einen Schüler in Philos. und | |||||||
Math. pura zu, dem ein andrer mit Namen Schulz sich auch zugesellen | |||||||
wird. Der Uberbringer heist Willemsen, eines Predigers Sohn aus | |||||||
Curland. Ich wünschte, daß ich ihnen die Lust zu lernen und | |||||||
Stetigkeit mit auf den Weg geben könnte. Aber wie muß man sich | |||||||
nicht qvälen, und zuletzt doch wenig herauskommen sehen! Das Beispiel | |||||||
eines andern Zuhörers, den ich Ihnen zuwieß, über dessen Nachlässigkeit | |||||||
Ew. Hochedelgeb. klagten, und von dem ich besorge, daß er | |||||||
den Weg alles Fleisches geht, je weniger ich es im Anfang besorgte, | |||||||
da er wirkl[ich] hier Hofnung gab, erfüllt mich mit traurigen Ahndungen, | |||||||
so oft ich wen empfehle. Ich muß es aber doch thun, und kan es | |||||||
bey HE. Willemsen noch mit mehr Hofnung thun: Er ist stiller und | |||||||
gesetzter, hat auch einigen Ernst in dem Vorsatz, etwas zu lernen. | |||||||
Sein Vater, ein braver Mann, verdient es, daß er die auf ihn gewandte | |||||||
Kosten wohl anlege, und seiner Familie Zierde und Nutzen bringe. | |||||||
Ich werde nicht unterlassen, mich zuweilen bey Ihnen nach seinem Fleisse | |||||||
zu erkundigen. Seine Fähigkeiten sind nicht die stärksten, doch Lust und | |||||||
Lieb zum Ding, macht alle Arbeit gering. Geht ein gewisser HE. Holst | |||||||
in Ihre Stunden und wie wartet er sie ab? Ich will das beste hoffen, | |||||||
obgl[eich] ich immer für ihn gezittert. Denn ich kenne seine alberne | |||||||
Flüchtigkeit, und habe mich mit ihm genug zerackert. Der Kopf ist | |||||||
gut. Ich wünsche mich an ihm zu betrügen, so wird es sein Bestes seyn. | |||||||
Ich habe eine kleine Abhandl[ung] auf einem Schulcatheder beygelegt. | |||||||
Sie können als ein Philosoph über meine Begriffe der Schulweisheit | |||||||
urtheilen. Die Eile hat nicht alles noch mehr auswickeln lassen. | |||||||
Vergessen Sie mich auch nicht. Ist HE R. Pisanski nun erst Magister | |||||||
geworden? Seine Disput[atio] ist wohl geschrieben. Dem Cicero vergeb | |||||||
ich seine Fehlschlüsse. Ein Paar Gedanken bey ihm sind indessen mehr | |||||||
werth als eine Disput. de princ. rat. suff. (welche verlegne Waare!) | |||||||
oder mit entsetzl. Gewisheit zu beweisen, daß Gott die Seelen der | |||||||
Thiere geschaffen, aus nichts geschaffen, daß sie praeexistiren, (wer | |||||||
verl[angt] Neues und Besonderes!) Eine magre Rede von der Lecture | |||||||
habe auch zu lesen bekommen. Gott gebe Ihnen und der Welt Friede, | |||||||
so werden die Musen auch grössere Thaten thun. | |||||||
Ich empfehle mich Ihrem gewognen Andenken, und verharre mit | |||||||
aufrichtiger Hochachtung | |||||||
Ew. Hochedelgeb. | |||||||
Riga d. 8/19 Junius | ergebenster Freund und Diener | ||||||
1759. | Lindner | ||||||
N. S. Sind Ew. Hochedelgeb: von HE. Jonzon bezahlt worden? | |||||||
Wo nicht, so kan es hier besetzen. | |||||||
[ abgedruckt in : AA X, Seite 006 ] [ Brief 9 ] [ Brief 11 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |