Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 317 |
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01 | nicht hinaus kommen kann, so wird die Metaphysik doch von ihr dadurch | ||||||
02 | unterschieden, daß sie als eine philosophische Wissenschaft, die ein Inbegriff | ||||||
03 | der Vernunfterkenntniß aus Begriffen a priori ist (ohne die | ||||||
04 | Construktion derselben), ausgezeichnet wird. Weil endlich zur Erweiterung | ||||||
05 | der Erkenntniß über die Grenze des Sinnlichen hinaus zuvor eine vollständige | ||||||
06 | Kenntniß aller Prinzipien a priori, die auch augs Sinnliche angewandt | ||||||
07 | werden, erfordert wird, so muß die Metaphysik, wenn man sie | ||||||
08 | nicht so wohl nach ihrem Zweck, sondern vielmehr nach den Mitteln, zu | ||||||
09 | einem Erkenntniß überhaupt durch Prinzipien a priori zu gelangen, d. i. | ||||||
10 | nach der bloßen Form ihres Verfahrens erklären will, als das System | ||||||
11 | aller reinen Vernunfterkenntniß der Dinge durch Begriffe definirt werden. | ||||||
12 | Nun kann mit der größten Gewißheit dargethan werden, daß bis auf | ||||||
13 | Leibnitzens und Wolfs Zeit, diese selbst mit eingeschlossen, die Metaphysik | ||||||
14 | in Ansehung jenes ihres wesentlichen Zwecks nicht die mindeste Erwerbung | ||||||
15 | gemacht hat, nicht einmal die von dem bloßen Begriff irgend eines | ||||||
16 | übersinnlichen Objects, so daß sie zugleich die Realität dieses Begriffes | ||||||
17 | theoretisch hat beweisen können, welches der kleinst-mögliche Fortschritt | ||||||
18 | zum Übersinnlichen gewesen seyn würde; wo doch immer noch das | ||||||
19 | Erkenntniß dieses über alle mögliche Erfahrung hinaus gesetzten Objects | ||||||
20 | gemangelt haben würde und da, wenn auch die Transscendental-Philosophie | ||||||
21 | in Ansehung ihrer Begriffe a priori, die für Erfahrungsgegenstände | ||||||
22 | gelten, hier oder da einige Erweiterung bekommen hätte, | ||||||
23 | diese noch nicht die von der Metaphysik beabsichtigte sein würde: so 1kann | ||||||
24 | man mit Recht behaupten, daß diese Wissenschaft bis zu jenem Zeitpunkte | ||||||
25 | noch gar keine Fortschritte zu ihrer eigenen Bestimmung gethan habe. | ||||||
26 | Wir wissen also, nach welchen Fortschritten der Metaphysik gefragt | ||||||
27 | werde, um welche es ihr eigentlich zu thun sey, und können die Erkenntnis | ||||||
28 | a priori, deren Erwägung nur zum Mittel dient, und die den Zweck dieser | ||||||
29 | Wissenschaft nicht ausmacht, diejenige nämlich, welche, obzwar a priori | ||||||
30 | gegründet, doch für ihre Begriffe die Gegenst/ande in der Erfahrung finden | ||||||
31 | kann, von der, die den Zweck ausmacht, unterscheiden, deren Object nämlich | ||||||
32 | über alle Erfahrungsgrenze hinaus liegt, und zu der die Metaphysik, | ||||||
33 | von der erstern anhebend(nicht so wohl s fortschreitet, als vielmehr, da | ||||||
34 | sie durch eine unermeßliche Kluft von ihr abgesondert ist, zu ihr überschreiten | ||||||
35 | will. Aristoteles hielt sich mit seinen Kategorien fast allein | ||||||
36 | an den erstern, Plato mit seinen Ideen strebte zu der letztern Erkenntniß. | ||||||
37 | Aber nach dieser vorläufigen Erwägung der Materie, womit sich die Metaphysik | ||||||
38 | beschäftigt, muß auch die Form, nach der sie verfahren soll, in Betrachtung | ||||||
39 | gezogen werden. | ||||||
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