Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 297 |
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01 | machen, und die vielleicht außer unsrer Idee gar nicht existiren, vielleicht | ||||||
02 | nicht seyn können (ob diese gleich sonst keinen Widerspruch enthält), | ||||||
03 | weil wir uns dabey nur ins Überschwängliche verlaufen dürften, sondern | ||||||
04 | nur wissen wollen, was jener Idee gemäß, die uns durch die Vernunft | ||||||
05 | unumgänglich nothwendig gemacht wird, für moralische Grundsätze | ||||||
06 | der Handlungen obliegen, und da würde ein praktisch-dogmatisches | ||||||
07 | Erkennen und Wissen der Beschaffenheit des Gegenstandes, bey völliger | ||||||
08 | Verzichtthuung auf ein theoretisches (suspensio judicii) eintreten, von | ||||||
09 | welchem ersteren es fast allein auf den Namen ankommt, mit dem | ||||||
10 | wir diese Modalität unseres Fürwahrhaltens belegen, damit er für eine | ||||||
11 | solche Absicht nicht zu wenig (wie bey dem bloßen Meynen), aber doch | ||||||
12 | auch nicht zu viel (wie bey dem Für-wahrscheinlich-annehmen) enthalte | ||||||
13 | und so dem Sceptiker gewonnen Spiel gebe. | ||||||
14 | Überredung aber, welche ein Fürwahrhalten ist, von dem man | ||||||
15 | bey sich selbst nicht ausmachen kann, ob es auf blos subjectiven, oder | ||||||
16 | auf objectiven Gründen beruhe, im Gegensatz der blos gefühlten Überzeugung, | ||||||
17 | bey welcher sich das Subject der letztern und ihrer Zulänglichkeit | ||||||
18 | bewußt zu seyn glaubt, ob es zwar dieselbe nicht nennen, mithin | ||||||
19 | nach ihrer Verknüpfung mit dem Object sich nicht deutlich machen kann, | ||||||
20 | können beyde nicht zu Modalitäten des Fürwahrhaltens im dogmatischen | ||||||
21 | Erkenntniß, es mag theoretisch oder praktisch seyn, gezählt werden, weil | ||||||
22 | diese ein Erkenntniß aus Prinzipien seyn soll, die also auch einer deutlichen, | ||||||
23 | verständlichen und n verständlichen und mittheilbaren Vorstellung fähig seyn muß. | ||||||
24 | Die Bedeutung dieses, vom Meynen und Wissen, als eines auf | ||||||
25 | Beurtheilung in theoretischer Absicht gegründeten, verschiedenen Fürwahrhaltens, | ||||||
26 | kann nun in den Ausdruck Glauben gelegt werden, worunter | ||||||
27 | eine Annehmung, Voraussetzung (Hypothesis) verstanden wird, die | ||||||
28 | nur darum nothwendig ist, weil eine objective praktische Regel des Verhaltens | ||||||
29 | als nothwendig zum Grunde liegt, bey der wir die Möglichkeit | ||||||
30 | der Ausführung und des daraus hervorgehenden Objectes an sich, zwar | ||||||
31 | nicht theoretisch einsehen, aber doch die einzige Art der Zusammenstimmung | ||||||
32 | derselben zum Endzweck subjectiv erkennen. | ||||||
33 | Ein solcher Glaube ist das Fürwahrhalten eines theoretischen Satzes, | ||||||
34 | z.B. es ist ein Gott, durch praktische Vernunft, und in diesem Falle, | ||||||
35 | als reine praktische Vernunft betrachtet, wo, indem der Endzweck die | ||||||
36 | Zusammenstimmung unsrer Bestrebung zum höchsten Gut, unter einer | ||||||
37 | schlechterdings nothwendigen praktischen, nämlich moralischen Regel | ||||||
38 | steht, deren Effekt wir uns aber nicht anders, als unter Voraussetzung | ||||||
39 | der Existenz eines ursprünglichen höchsten Gutes, als möglich denken | ||||||
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