Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 290 |
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Text (Kant):
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| 01 | seyn würde, eine Totalität aber der Bedingungen, in einer Reihe | ||||||
| 02 | von lauter Bedingtem anzunehmen, ein Widerspruch ist. | ||||||
| 03 | Endlich leidet der zur dynamischen Klasse gehörende Satz, der sonst | ||||||
| 04 | klar genug ist, nämlich, daß in der Reihe der Ursachen nicht alles zufällig, | ||||||
| 05 | sondern doch irgend ein schlechterdings nothwendig existirendes Wesen | ||||||
| 06 | seyn möge, dennoch an dem Gegensatze, daß kein von uns immer denkbares | ||||||
| 07 | Wesen als schlechthin nothwendige Ursache anderer Weltwesen | ||||||
| 08 | gedacht werden könne, einen gegründeten Widerspruch, weil es alsdann | ||||||
| 09 | als Glied in die aufsteigende Reihe der Wirkungen und Ursachen mit den | ||||||
| 10 | Dingen der Welt gehören würde, in der keine Kausalität unbedingt ist, | ||||||
| 11 | die aber hier doch als unbedingt müßte angenommen werden, welches | ||||||
| 12 | sich widerspricht. | ||||||
| 13 | Anmerkung. Wenn der Satz: Die Welt ist an sich unendlich, soviel | ||||||
| 14 | bedeuten soll, sie ist größer als alle Zahl (in Vergleichung mit | ||||||
| 15 | einem gegebenen Maß): so ist der Satz falsch, denn eine unendliche | ||||||
| 16 | Zahl ist ein Widerspruch. — Heißt es, sie ist nicht unendlich, | ||||||
| 17 | so ist dieses wohl wahr, aber man weiß dann nicht, was sie denn | ||||||
| 18 | sey. Sage ich: sie ist endlich, so ist das auch falsch, denn ihre | ||||||
| 19 | Grenze ist kein Gegenstand möglicher Erfahrung. Ich sage also, | ||||||
| 20 | sowohl was gegebnen Raum, als auch verflossene Zeit betrifft, | ||||||
| 21 | wird nur als zur Opposition erfordert. Beydes ist dann falsch, | ||||||
| 22 | weil mögliche Erfahrung weder eine Grenze hat, noch unendlich | ||||||
| 23 | seyn kann, und die Welt als Erscheinung nur das Object möglicher | ||||||
| 24 | Erfahrung ist. | ||||||
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| 26 | Hiebey zeigen sich nun folgende Bemerkungen: | ||||||
| 27 | Erstlich der Satz, daß zu allem Bedingten ein schlechthin Unbedingtes | ||||||
| 28 | müsse gegeben seyn, gilt als Grundsatz von allen Dingen, so wie ihre Verbindung | ||||||
| 29 | durch reine Vernunft, d.i. als die der Dinge an sich selbst, gedacht | ||||||
| 30 | wird. Findet sich nun in der Anwendung desselben, daß er nicht auf | ||||||
| 31 | Gegenstände in Raum und Zeit ohne Widerspruch angewandt werden | ||||||
| 32 | könne: so ist keine Ausflucht aus diesem Widerspruche möglich, als daß | ||||||
| 33 | man annimmt, die Gegenstände in Raum und Zeit, als Objecte möglicher | ||||||
| 34 | Erfahrung, sind nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen | ||||||
| 35 | anzusehen, deren Form auf der subjectiven Beschaffenheit unsrer | ||||||
| 36 | Art sie anzuschauen beruhet. | ||||||
| 37 | Die Antinomie der reinen Vernunft führt also unvermeidlich auf jene | ||||||
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