Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 268 |
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01 | gefordert haben, daß sie seyn müssen, um a priori allem unserm Erkenntniß | ||||||
02 | der Dinge zum Grunde zu liegen, und ich kann mich mit Zutrauen | ||||||
03 | darauf berufen, ohne wegen Einwürfe besorgt zu seyn. — | ||||||
04 | Nur will ich noch anmerken, daß in Ansehung des innern Sinnes | ||||||
05 | das doppelte Ich im Bewußtseyn meiner selbst, nämlich das der innern | ||||||
06 | sinnlichen Anschauung und das des denkenden Subjects, Vielen scheint | ||||||
07 | zwey Subjecte in einer Person vorauszusetzen. | ||||||
08 | Dieses ist nun die Theorie, daß Raum und Zeit nichts als subjective | ||||||
09 | Formen unsrer sinnlichen Anschauung sind, und gar nicht den Objecten | ||||||
10 | an sich zuständige Bestimmungen, daß aber gerade nur darum wir | ||||||
11 | a priori diese unsre Anschauungen bestimmen können mit dem Bewußtseyn | ||||||
12 | der Nothwendigkeit der Urtheile in Bestimmung derselben, wie z.B. | ||||||
13 | in der Geometrie. Bestimmen aber heißt synthetisch urtheilen. | ||||||
14 | Diese Theorie kann die Lehre der Idealität des Raumes und der | ||||||
15 | Zeit heißen, weil diese als etwas, was gar nicht den Sachen an sich selbst | ||||||
16 | anhängt, vorgestellt werden; eine Lehre, die nicht etwa blos Hypothese, | ||||||
17 | um die Möglichkeit der synthetischen Erkenntniß a priori erklären zu | ||||||
18 | können, sondern demonstrirte Wahrheit ist, weil es schlechterdings unmöglich | ||||||
19 | ist, sein Erkenntniß über den gegeben Begriff zu erweitern, | ||||||
20 | ohne irgend eine Anschauung, und wenn diese Erweiterung a priori | ||||||
21 | geschehen soll, ohne eine Anschauung a priori unterzulegen, und eine | ||||||
22 | Anschauung a priori gleichfalls unmöglich ist, ohne sie in der formalen | ||||||
23 | Beschaffenheit des Subjects, nicht in der des Objects, zu suchen, weil | ||||||
24 | unter Voraussetzung der erstern alle Gegenstände der Sinne jener gemäß | ||||||
25 | in der Anschauung vorgestelllt werden, also sie a priori, und dieser Beschaffenheit | ||||||
26 | nach als nothwendig erkannt werden müssen, anstatt daß, | ||||||
27 | wenn das letztere angenommen wurde, die synthetischen Urtheile a priori | ||||||
28 | empirisch und zufällig sey würden, welches sich widerspricht. | ||||||
29 | Diese Idealität des Raumes und der Zeit ist gleichwohl zugleich | ||||||
30 | eine Lehre der vollkommenen Realität derselben in Ansehung der Gegenstände | ||||||
31 | der Sinne (der äußern und des innern) als Erscheinungen, | ||||||
32 | d.i. als Anschauungen, so fern ihre Form von der subjectiven Beschaffenheit | ||||||
33 | der Sinne abhängt, deren Erkenntniß, da sie auf Principien a priori | ||||||
34 | der reinen Anschauung gegründet ist, eine sichere und demonstrable | ||||||
35 | Wissenschaft zuläßt, daher dasjenige Subjective, was die Beschaffenheit | ||||||
36 | der Sinnenanschauung, in Ansehung ihres Materialen, nämlich der | ||||||
37 | Empfindung betrifft, z.B. Körper im Licht als Farbe, im Schalle als | ||||||
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