Kant: AA XIX, Erläuterungen zu G. Achenwalls Iuris ... , Seite 644 |
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01 | aber es ist ein moralisches Bedürfnis bey der abs auf das hochste Gut in | ||||||
02 | der Welt zu befordern gerichteten Absicht. Eben so ein künftig Leben zu | ||||||
03 | glauben. Das letztere ist nur ein Glaube vom zweyten Rang. Denn es | ||||||
04 | ist nicht nothwendig, daß wir existiren oder ewig existiren aber wohl, daß, | ||||||
05 | so lange wir leben, wir uns des Lebens würdig verhalten. | ||||||
06 | Ob Gott dem Menschen einen Glauben geben könne (z. B. dem | ||||||
07 | Abraham in Ansehung seines Sohnes Isaak)? Wenn er sich bewust wäre, | ||||||
08 | ein anderes Wesen habe ihn ihm gegeben und er sey also nicht aus ihm | ||||||
09 | selbst entsprungen, so würde er wirklich nicht glauben. Überhaupt ist das | ||||||
10 | Urtheil, daß etwas eine Erscheinung Gottes (Theophanie) sey, überschwenglich; | ||||||
11 | denn man kan eine solche Anschauung garnicht haben, wir | ||||||
12 | können die Offenbahrung nicht in uns aufnehmen. Es muß ein ganz | ||||||
13 | anderes Wesen seyn dem sie inhäriren soll könne und überhaupt kan | ||||||
14 | dieses Wesen nur Gott selber seyn. --- Wenn es heißt, der Sohn, der in | ||||||
15 | des Vaters Schoos ist, hat es uns verkündigt, so bedeutet das nur, daß der | ||||||
16 | durchs heilige moralische Gesetz erleuchtete (g gemeine Mann (nicht viele | ||||||
17 | Weise) redlich von Gesinnung aber idiot ) nicht der theoretische Philosoph | ||||||
18 | oder Priester ihn uns verkündigt habe. | ||||||
19 | Dem Staat ist es von der größten Nützlichkeit und kann auch ohne | ||||||
20 | Gefahr geschehen, daß die Geistlichen lehren, daß alle Gnadenmittel | ||||||
21 | Glaube, Gebeth, Communion etc. garnichts bewirken wenn nicht die rechtschaffene | ||||||
22 | moralische Gesinnung zu Grunde liegt. Daher man jene nicht | ||||||
23 | anfechten darf, wenn sie auch überflüßig sind. | ||||||
24 | S. II u. III: | ||||||
25 | Von dem Bedürfnisse des Menschen, etwas zu haben, das er lieben | ||||||
26 | könne als der großten Bewegursache zum Heurathen, imgleichen daß nach | ||||||
27 | menschlicher Vorstellung Gott keinen andern Grund gehabt habe, eine | ||||||
28 | Welt zu schaffen. | ||||||
29 | Sünde wieder den h. Geist. | ||||||
30 | Der Zwek der Schöpfung, so wie ihn Menschen sich denken möchten, | ||||||
31 | ist, das Gott gleichsam ein Bedürfnis hat etwas, ein andres Wesen zu | ||||||
32 | haben, was er lieben könne und was ihn dagegen liebt. | ||||||
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