Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 512 |
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01 | (g Der Vernunftglaube ist eher als der Vernunftbeweis. Beyde | |||||||||
02 | gründen sich auf der Bestrebung der Vernunft zur Vollstandigkeit. ) | |||||||||
03 | Diese konnten blos als Kräfte sichtbarer Dinge (g Erfahrungsgegenstande ), | |||||||||
04 | die aber nicht unter der Regel der Erfahrung standen, gewesen | |||||||||
05 | seyn: Fetisch, Manitou, Talisman oder Schatten der Todten (g Obiecte | |||||||||
06 | gewesener Erfahrungen ), oder gar unsichtbar regirende Wesen. Letztere fanden nur im Stande der bürgerlichen Verfassung unter Oberhäuptern | |||||||||
08 | statt, und so entsprang der eigentliche Begrif von Göttern. Ob sie solche | |||||||||
09 | zuerst furchtbar vorgestellt, weil Unglük und Gefahren abergläubisch | |||||||||
10 | machen, dazu auch sehnsüchtige Hofnungen gehören, oder die Vorsorge | |||||||||
11 | der Natur als ihr Werk sie gütig vorstellete, kan nicht die Frage seyn. | |||||||||
12 | Daß diese Gotter sogar die Uheber der Natur wären, konnte ihnen | |||||||||
13 | nicht einfallen; sie hielten solche selbst für Naturdinge (g oder gewesene | |||||||||
14 | Menschen. ), die nur mehr Gewalt hätten, alle Naturdinge aber für an | |||||||||
15 | sich nothwendig. | |||||||||
16 | Diese Gotter mußten Personen seyn, sonst konnten sie ihre abergläubische | |||||||||
17 | Wünsche an sie nicht richten, aber mächtig ohne Moralitaet. | |||||||||
18 | Allein konnten sie sich keinen Gott denken, eben darum, weil allein seyn | |||||||||
19 | ein unglük scheint, also Vielgötterey. Endlich kommts zu moralischen | |||||||||
20 | Begrifffen: einem Gesetz und einem Gesetzgeber. Einheit Gottes, und | |||||||||
21 | nun alle Vollkommenheit. — Bis hieher lauter Aberglaube und nun | |||||||||
22 | Vernunft. — Man begnügte sich nicht mit dem Einflusse auf Moral. — | |||||||||
23 | Nun entsprang Schwärmerey. Neuplatonische Secten dauren so lange, | |||||||||
24 | als Vernunftbeweise allein gelten sollen. — Nur vernunftglaube mit Bewustseyn | |||||||||
25 | seiner Unwissenheit kan Schwarmerey abhalten. | |||||||||
26 | Th 5: | |||||||||
27 | Vernunfterkentnis ist entweder subiectiv, d.i. Erkentnis seiner | |||||||||
28 | eignen Vernunft, oder obiectiv: Erkentnis eines (g von uns unterschiedenen ) | |||||||||
29 | Gegenstandes durch die Vernunft. Die nothwendige Voraussetzung | |||||||||
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