Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 452

     
           
 

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  01 nicht durch Wahl unter den Zufelligen und einem willen, der beliebig      
  02 die Zweke festsetzt, sondern dessen wille einerley ist mit dem, was in der      
  03 Ordnung der Zweke unter vernünftigen wesen absolut nothwendig ist,      
  04 folglich nicht als despot, sondern als das hochste Gut selbst durch die Natur      
  05 der Dinge überhaupt. Gott als summum bonum originarium. Die      
  06 Moralische Eigenschaften sind nicht seine unterordnung obere Herrschaft      
  07 über die Wesen nach Gesetzen der Moralitaet, sondern die selbstandigkeit      
  08 dieser Gesetze selbst. Hier legen wir zum Grunde, was wir gewiß wissen,      
  09 namlich das nothwendige System aller Zweke, denen alle andere als ihrer      
  10 conditio sine qva non untergeordnet werden müssen. Daher sind die Irrthümer      
  11 der Moraltheologie eigentlich verderblich, vornemlich der Anthropomorphism,      
  12 der aber leichter verhütet werden kan, indem wir Gott nicht      
  13 als Urheber der Gesetze, sondern der obligation nach diesen Gesetzen ansehen.      
           
  15 M 373':      
  16 Dadurch wird Moraltheologie zugleich ontotheologie. Sie ist gleichwohl      
  17 eine blos practische und subiective Gewisheit, die sich auf einem      
  18 interesse gründet, aber auf einem obiectiv nothwendigen und von dem      
  19 Wesen der Vernunft unzertrennlichen, in keiner absicht uutergeordneten      
  20 interesse. Wäre moral nur ein pragmatisches System der Klugheit, so      
  21 ware der Glaube an Gott blos Hypothese; nun ist er ein Postulat.      
           
  22 Die hochste Weisheit in der physicotheologie ist blos relativ. und      
  23 betrift die Zulanglichkeit in Ansehung des Systems aller Zweke; aber in      
  24 der moraltheologie ist sie selbstandig der Qvell der Möglichkeit der Dinge      
  25 selbst. Dadurch werden wir angeführt, alles von der Ordnung der Dinge      
  26 als an sich nothwendig und doch zugleich von Gott als dem selbstandigen      
  27 Princip aller Ordnung abzuleiten, nicht uns an Gott zu wenden als dem      
  28 Wesen, welches Gesetze giebt, die an sich zufellig seyn, und davon es dispensiren      
  29 kan, sondern, was in der Natur der Dinge nach Gesetzen der      
  30 moralitaet nothwendig ist, auch nach der Natur nach physiologischen Gesetzen      
  31 zu erwarten.      
           
  32 Alle moralischen Eigenschaften Gottes sind hier nur obiectiv nach      
  33 unsern Begriffen zu bestimmen, nicht subiectiv — denn im letzteren falle      
  34 haben wir zwey correlata, deren Verknüpfung wir uns anthropomorphistisch      
     

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