Kant: AA XVI, L §. 207-215. IX 67-72. [Zeuge. Unglaube. ... , Seite 514

     
           
 

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  01 der Sinnenwelt die Folge (g Wirkung ) von dieser Idee angetroffen werden.      
  02 Wir sollen also handeln, um diesen Zwek wirklich zu machen. Wir finden      
  03 in der Sinnenwelt auch Spuhren einer Kunstweisheit, und nun glauben      
  04 wir, die Weltursache wirke auch mit moralischer Weisheit zum höchsten      
  05 Gut, und dieses ist ein Fürwarhalten, welches gnug ist zum Handeln,      
  06 d. i.ein Glaube. -- Nun bedürfen wir diesen nicht zum Handeln nach      
  07 moralischen Gesetzen, denn die werden durch practische Vernunft allein      
  08 Gegeben; aber wir bedürfen der Annahme einer hochsten Weisheit zum      
  09 Object unseres moralischen Willens, worauf wir außer der bloßen Rechtmäßigkeit      
  10 unserer Handlungen nicht umhin können unsere Zweke zu      
  11 richten. Ob gleich dieses objcti keine nothwendige bEziehung unserer      
  12 Willkühr wäre, so ist das höchste Gut doch unvermeidlich subjectiv nothwendig      
  13 das object eines Guten (selbst menschlichen) Willens, und der      
  14 Glaube an die Erreichbarkeit desselben wird dazu nothwendig vorausgesetzt.      
           
  15 Zwischen der Erwerbung einer Erkentnis durch Erfahrung (a posteriori)      
  16 und durch die Vernunft (a priori) giebt es kein Mittleres. Aber      
  17 zwischen der Erkentnis eines objects und der bloßen Voraussetzung der      
  18 Moglichkeit desselben giebt es ein Mittleres, nämlich einen empirischen      
  19 oder Vernunftgrund, die letztere anzunehmen, nämlich in Beziehung auf      
  20 eine nothwendige Erweiterung unserer des Feldes moglicher Objecte über      
  21 diejenige, deren erkentnis uns möglich ist. Diese Nothwendigkeit findet      
  22 nur in Ansehung dessen statt, da das Object (g als ) practisch und durch      
  23 Vernunft (g practisch ) nothwendig erkannt wird; denn zum Behuf der      
  24 bloßen Erweiterung der theoretischen Erkentnis etwas anzunehmen, ist      
  25 iederzeit zufallig. Diese practisch nothwendige Voraussetzung eines objects      
  26 ist die der Moglichkeit des hochsten Guts als objects der willkühr, mithin      
  27 auch der Bedingung dieser Moglichkeit (Gott, und Freyheit und Unsterblichkeit).      
  28 Dieses ist eine subjective Mogli Nothwendigkeit, die Realität      
  29 des objects um der nothwendigen Willens Bestimmung halber anzunehmen.      
  30 Dies ist der casus extraordinarius, ohne welchen die practische      
  31 Vernunft sich nicht in Ansehung ihres nothwendigen Zweks erhalten kan,      
  32 und es kommt ihr hier fauor necessitatis zu statten in ihrem eigenen      
  33 Urtheil. Sie kan kein object logischerwerben, sondern sich nur allem      
  34 wiedersetzen, was sie im Gebrauch dieser Idee, die ihr practisch angehört,      
  35 hindert.      
           
     

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