Kant: AA XVI, Einleitung in die Vernunftlehre. [L §. ... , Seite 011

     
           
 

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  01 zu werden, zweytens aber auch die gemeinützige Erkenntniß davon unterscheiden;      
  02 denn davon einen gewöhnlichen Gebrauch machen heißt: ein      
  03 Pedant oder Schulfuchs seyn.      
           
   

 

1572.   β1.   L 2'.   Zu L § 4:
 
     
  05 (g Man könte vielleicht dieses in Zweifel ziehen. Wir können ohne      
  06 regeln gehen lernen, und, wie Borellus gewiesen, so steht doch eine große      
  07 Kunst im Gehen. Wir können die Zung Kehle zu Ausdrükung aller      
  08 Thöne gebrauchen, und, was dazu gehöre, weis ein jeder, der ein      
  09 musicalisch instrument spielen lernet. )      
           
  10 Um dieses zu beweisen, müßen wir darthun, daß alle Ausübung der      
  11 Kräfte des Verstandes ohne Regeln Mangelhaft sey. Alles gelehrte Erkenntniß      
  12 setzet eine Anwendung einer vollkommenen Vorstellungskraft voraus; nun      
  13 ist aber Eine Regel ist die (g gründliche ) Erkenntniß der Art, wie etwas      
  14 einem gewißen Zweke gemäß soll ausgeübt werden. Wer ohne solche      
  15 Regeln handelt, der übet seine Vernunft Kraft des Verstandes aus, ohne      
  16 zu wißen, warum er sie so und nicht anders ausübet. Was man, ohne      
  17 (g den ) Grund zu wißen, ausübet handelt, kan eben so wohl unrichtig als      
  18 richtig handeln geschehen. Also wer ohne Regeln seine Vernunft ausübt,      
  19 kan ist der Gefahr zu irren gar zu sehr unterworfen.      
           
  20 Man darf nicht einwenden, daß man seine Vernunft im gemeinen      
  21 erkenntniße ohne Regeln sehr richtig Gebrauchen kan. Hier ist vom      
  22 gelehrten Erkenntniß die Rede, d. i. welches von der täglichen Erfahrung      
  23 etwas entfernt ist. Beym gemeinen Erkentniße erwirbt man durch Erfahrungen      
  24 eine Fähigkeit, in singularen Fällen richtig zu urtheilen. In      
  25 allgemeinen objectis, wo die sinnliche ideen nicht allein zulangen, muß      
  26 eine Wißenschaft von den Regeln voraus gehen, nach welchen dieselbe      
  27 sollen gebraucht werden.      
           
  28 Ofters heißt es wie bey den Lacedaemonischen Gesandten in Athen.      
  29 Die Logici wißen die Regeln, aber die Mathematici üben sie aus.      
           
     

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