Kant: AA XV, Zweiter Anhang Medicin. , Seite 976 |
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01 | zum Theil das Andere in Betrachtung zieht, so kann die Vernunft gar | |||||||
02 | keinen sicheren Ausschlag mit einer solchen Waage finden, daher man | |||||||
03 | auch fragen kann: Was ist wichtiger? | |||||||
04 | Ob die Gefahr qvantitativ größer (leichter sich eräugnend) oder | |||||||
05 | qvalitativ größer (wichtiger) sey: in dieser Frage wird hoffentlich jeder | |||||||
06 | Wohldenkende das letztere wenigstens aussprechen. Der Zustand eines | |||||||
07 | seine Lage kennenden Menschen, sich immer in Gefahr zu wissen, ist eine | |||||||
08 | von den empfindlichsten nöthen, dafür man es lieber beschließt, kurz | |||||||
09 | gut sich in das Bedrohende zu stürzen. | |||||||
10 | Am Rande steht endlich noch die folgende Bemerkung: | |||||||
11 | Unter allen Nöthen ist die Gefahr, in ein Gedränge zu gerathen, | |||||||
12 | den moralischen Grundsätzen abtrünnig zu werden: allein diese Noth kann | |||||||
13 | jederzeit überwunden werden, weil der Mensch das jederzeit kann, was er | |||||||
14 | soll, wenn unumgängliche Pflicht ihm vor augen gestellt wird. Selbst | |||||||
15 | auch nur gestehen zu müssen, man fühle sich in Gefahr, seine Pflicht in | |||||||
16 | gewissen Versuchungen nicht wiederstehen, sondern sie wissentlich übertreten | |||||||
17 | zu können, ist schon eine Verdorbenheit des Herzens, deren der Mensch | |||||||
18 | sich schämen muß. | |||||||
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