Kant: AA XV, Entwürfe zu dem Colleg über ... , Seite 891

   
         
 

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  01 fängt an, durch Reitze den Naturinstinct zu erhöhen und die alte Herrschaft    
  02 des Mannes im rohen Zustande zu stürtzen. Reichthum und Wohlleben    
  03 verleiten den freyen Wilden, auch in bürgerliche Unterwürfigkeit zu    
  04 treten. Der luxus überschwemmt alles, und die Uppigkeit verdirbt das    
  05 ganze Menschengeschlecht.    
         
  06 (g Vorher würde der Mensch nur das gegenwärtige Ubel gefühlt    
  07 haben. Auf Mühe folgt Ruhe, aber diese Verbittert jetzt die Mühe des    
  08 künftigen tages. Der Tod w ist kein empfundenes, sondern blos    
  09 gefürchtetes Übel. )    
         
  10 Die Absicht der Natur ist, daß alle Talente und zuletzt selbst die    
  11 Moralitaet vermittelst der vollkommenen Cultur entwickelt und dauerhaft    
  12 bevestigt werde, um ein system der Glükseeligkeit und Vollkommenheit    
  13 durch die Freyheit des Menschen, aber zu vermittelst eines Stachels der    
  14 Bedürfnisse zu wege zu bringen.    
         
  15 In dieser Absicht kehrt sie sich nicht an die Übel, die der Mensch erleiden    
  16 muß; selbst die Laster, welche in dem Streite der Thierheit mit der    
  17 Vernünftigen Menschheit bestehen und wo die alte rohigkeit noch immer    
  18 ihren Uberrest beweiset, müssen den Fortgang zum Guten beschleunigen    
  19 helfen. Ganze lange Reihen von generationen haben ihren werth in der    
  20 Weltveränderung nur durch die Beforderung der künftigen vollstandigen    
  21 Entwickelung.    
         
  22 (g Wenn die Menschen alle gleich anfangs gutartig und fromm    
  23 gewesen wären, so hätten sie wie dumme Schaafe gelebt. )    
         
  24 Woher setzen wir wenig werth im Daseyn vernünftiger und glüklicher    
  25 Wesen, die aber nicht in Cultur fortschreiten? Sie scheinen nur das    
  26 Leere der Schopfung auszufüllen. America.    
         
  27 b, Der Ursprung des Guten aus dem Bösen beruht darauf,    
  28 daß die Eigenschaften und Instincte (innere), die ihm in der Thierheit    
  29 nothig waren, beym Anfange der cultur nöthigten, seine Kunst gegen    
  30 andere Menschen zu kehren, die ihm in seinen Absichten oder der Selbsterhaltung    
  31 hinderlich seyn können. Denn von einem Thier, das Vernünftelt,    
  32 kan man alles besorgen. Faulheit und und Neigung zur    
  33 Unabhaengigkeit nöthigt bisweilen, sich viel Mühe zu geben, um hernach    
     

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