Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 187

   
         
 

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  01 dasjenige Princip zu denken, nach welchem ich meine Vernunft um ihren    
  02 Gebrauch gebracht werden würde, ist verwerflich, die Obiective Beweisgründe    
  03 mögen seyn, welche sie wollen. (Um ihren theoretischen oder    
  04 practischen Gebrauch.) Geistererscheinungen, geheime (nicht offentlich mittheilbare)    
  05 Erfahrungen verwerfe ich, ohne die Unmoglichkeit solcher Erscheinungen    
  06 noch die Falschheit der Zeugnisse Darthun zu können. Wunder    
  07 dieser und künftiger Zeiten verwerfe ich, ohne ihre Unmoglichkeit darthun    
  08 zu können. Aber Wunder der Vergangenen Zeit kann ich gelten lassen,    
  09 nur mit der Bedingung, daß sie nicht mehr vorkommen und daß keine    
  10 Folgerungen daraus gezogen werden, die entweder den Grundsätzen des    
  11 Natürlichen Gebrauchs der Vernunft zuwieder sind oder mich auch nur    
  12 desselben (im Practischen) überheben.    
         
  13 Also beruht alle Aufklarung 1. auf Selbstwahl der Grundsätze, 2. auf    
  14 außere allgemeingültigkeit derselben, 3. auf ihre Beharrlichkeit. Im ersten    
  15 Falle heißt man blos aufgeklart, im zweiten von erweiterten Begriffen,    
  16 im dritten von bestimter Denkungsart oder Character. Aufgeklärt, von erweiterter,    
  17 von geläuterter Denkungsart.    
         
  18 Wunder thun nichts zur Sache; sie dienen nur, Lehren zu introduciren,    
  19 die sonst sich auch auf Vernunft gründen und, wenn sie einmal    
  20 daseyn, sich auch wie ein Gebäude bey Wegräumung des Gerüstes von    
  21 selbst erhalten. Es sind nicht Facta, sondern übernatürliche Deutungen    
  22 von Factis; denn die Bestimmung der Ursachen beruht immer auf    
  23 Vernunft.    
         
  24 S. II:    
         
  25 Es geht hier so wie mit einer Rechts Sache vor Gericht. Die erste    
  26 Frage ist: ob es überhaupt eine Rechtssache sey, d. i. unter Gesetzen stehe    
  27 und wie fern. 2. Das Factum durch einstimung der Zeugen. 3. Die Zusammenstimung    
  28 des Richters mit sich selbst in Ansehung der praeiudicata    
  29 und postiudicanda. Wo ein Wunder vorkommt da kann und angenommen    
     

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