Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 173

   
         
 

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  01 der religion. Es ist aber auch etwas, was sie gar nicht anderen überlassen,    
  02 sondern selbst ausmachen müssen, namlich was ihr Gewissen ihnen    
  03 erlaubt, hiebey anzunehmen. Im ersteren ist es unmöglich, zur volligen    
  04 Gewisheit zu gelangen, im zweyten ist es schlechthin nothwendig. )    
         
  05 Der Gesunde Menschenverstand wird als Menschenverstand    
  06 (g gemeiner Verstand ) erstlich vor denienigen genommen, den man bey    
  07 allen Menschen vermuthen kan zweytens als ein Gesunder Verstand sofern er    
  08 nicht verdorben ist. Man unterscheidet ihn von Gelehrsamkeit in Ansehung    
  09 der Qvellen und vom speculativen Verstande in ansehung des Grades.    
  10 Was den letzten Punct betrift, so ist er das Vermögen der Regeln in    
  11 concreto und unterscheidet sich dadurch von dem speculativen Verstande.    
         
  12 Alle drey obere facultäten laboriren theils an Gelehrsamkeit, theils    
  13 an speculation, und in ihnen insgesammt ist die Wissenschaft provisorisch    
  14 gut, sie hat aber doch zum Zweke, endlich vermittelst der Philosophie sie    
  15 zum Gesunden Menschenverstande herabzubringen, der in der That hierin    
  16 auch allein der beste Richter ist und der Probirstein der Richtigkeit der    
  17 Satze, wie denn alle drey vor alle Menschen sind.    
         
  18 1. Theologie muß endlich Religion bis zur Einsicht und Ueberzeugung    
  19 des blos gesunden Menschenverstandes bringen. Denn sie ist entweder    
  20 eine natürliche oder gelehrte Religion in Ansehung ihrer Mittheilung.    
  21 Als gelehrte Religion kann sie vor alle Menschen seyn, also wird sie    
  22 einmal dahin kommen müssen, daß jedermann nach seinem bloßen    
  23 Menschenverstande, da sie einmal da ist, wird einsehen, sich davon Überzeugen    
  24 und sie fassen können. Da muß ieder Punct, der vielleicht anfänglich    
  25 zur Introduction nothig war, wegfallen, wenn die Ueberzeugung    
  26 von seiner Richtigkeit Gelehrsamkeit voraussetzt; doch wird immer Gelehrsamkeit    
  27 nothig seyn, um durch Geschichte den Vorwitz zu kützeln zügeln,    
  28 damit er nicht durch Hirngespinste den Menschenverstand verführe.    
         
  29 2. Rechtskunde ist auch vor alle Menschen; denn iedermann muß    
  30 doch wissen können, welches Recht iemand aus gewissen Handlungen oder    
  31 Vorfällen gegen ihn hat, und er stellt sich natürlicher Weise auch ein Recht    
  32 vor, das er aus eben dergleichen Ursachen erwirbt. Nun kann keine rechtliche    
     

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