Kant: AA XII, Öffentl. Erklärungen 1793 - 1796 , Seite 361 |
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01 | Wie es aber, ohne hiezu ein Plagiat annehmen zu dürfen, zugegangen, | ||||||
02 | daß doch in diesen ihm zugeschriebenen Werken so manche | ||||||
03 | Stellen buchstäblich mit denen übereinkommen, die viel später in meinen | ||||||
04 | auf die Kritik der reinen Vernunft folgenden Schriften als meine eigenen | ||||||
05 | Gedanken noch zu seiner Lebenszeit vorgetragen werden können; das | ||||||
06 | läßt sich, auch ohne jene den sel. Mann beleidigende und auch ohne | ||||||
07 | meine Ansprüche schmälernde Hypothese, gar wohl begreiflich machen. | ||||||
08 | Sie sind nach und nach fragmentarisch in die Hefte meiner Zuhörer | ||||||
09 | geflossen, mit Hinsicht, von meiner Seite, auf ein System, was | ||||||
10 | ich in meinem Kopfe trug, aber nur allererst in dem Zeitraume von | ||||||
11 | 1770 bis 1780 zu Stande bringen konnte. - Diese Hefte, welche Bruchstücke | ||||||
12 | [enthielten], die unter anderen meinen Vorlesungen der Logik, der | ||||||
13 | Moral, des Naturrechts u.s.w. vornämlich denen der Anthropologie, | ||||||
14 | wie es gewöhnlich bei einem freien Vortrage des Lehrers zugeht, sehr | ||||||
15 | mangelhaft, nachgeschrieben worden, fielen in des sel. Mannes Hände | ||||||
16 | und wurden in der Folge von ihm gesucht, weil sie großen Theils neben | ||||||
17 | trockenen Wissenschaften auch manches Populäre enthielten, was der | ||||||
18 | aufgeweckte Mann in seine launigten Schriften mischen konnte, und so, | ||||||
19 | durch die Zuthat des Nachgedachten, dem Gerichte des Witzes einen | ||||||
20 | schärferen Geschmack zu geben die Absicht haben mochte. | ||||||
21 | Nun kann, was in Vorlesungen als öffentlich zu Kauf gestellte | ||||||
22 | Waare feil steht, von einem jeden benutzt werden, ohne sich deshalb | ||||||
23 | nach dem Fabrikanten erkundigen zu dürfen; und so konnte mein | ||||||
24 | Freund, der sich nie mit Philosophie sonderlich befaßt hat, jene ihm | ||||||
25 | in die Hände gekommenen Materialien, gleichsam zur Würtze für den | ||||||
26 | Gaumen seiner Leser, brauchen, ohne diesen Rechenschaft geben zu dürfen, | ||||||
27 | ob sie aus des Nachbars Garten, oder aus Indien, oder aus seinem | ||||||
28 | eigenen genommen wären. - Daraus ist auch erklärlich, wie dieser | ||||||
29 | mein vertrauter Freund in unserm engen Umgange doch über seine | ||||||
30 | Schriftstellerei in jenen Büchern nie ein Wort fallen lassen, ich selber aber | ||||||
31 | aus gewöhnlicher Delikatesse ihn nie auf diese Materie habe bringen mögen. | ||||||
32 | So löst sich das Räthsel auf, und einem jeden wird das Seine zu Theil. | ||||||
33 | Königsberg, den 6. Dez. 1796 | ||||||
34 | Immanuel Kant. | ||||||
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