Kant: AA XII, Briefwechsel 1799 , Seite 278 |
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01 | Wort, eben darum so vest ist, weil es einen Esra gab. | ||||||
02 | So erklärt sich das Würkende und die Würkung von selbst, und auch | ||||||
03 | der kleine Umstand daß wir von ao I. unsre Iahrbücher anfangen, | ||||||
04 | ohnerachtet wohl 1000 Iahre vergangen seyn mögen, bis die dekadische | ||||||
05 | Zahl erfunden und begriffen wurde. Bei den kleinen algebraischen | ||||||
06 | Uebungen meines Augusts, war ich im Stande ziemlich intrikate Aufgaben, | ||||||
07 | logisch durch Aufsuchung der 1ten Einheit, oder des Theils | ||||||
08 | woraus das Ganze ursprünglich zusammen gesetzt ist, zu lösen. Würde | ||||||
09 | auf diese Art: ein Erstes Menschenpaar supponirt, ein MenschenAlter | ||||||
10 | 20 Iahr und der Ehesegen für jedes Paar, etwa 1 à angeschlagen; | ||||||
11 | hierauf aber, die Rechnung bis auf die Zahl der jetzt ohngefehr lebenden | ||||||
12 | 1000 (?) Millionen Menschen fortgesezt, so würde sich doch etwas | ||||||
13 | Wahrscheinliches über die Weltdauer urtheilen laßen, und ich fürchte | ||||||
14 | sehr daß: diese Zahl mit der Hebräischen Chronologie - die gewißermaßen | ||||||
15 | schon, durch die Samaritanische und die LXX . widerlegt wird, | ||||||
16 | nur durch ein Wunder stimmen würde. | ||||||
17 | Der Zufall, begünstigt oft den Glauben an gewiße Dinge. So | ||||||
18 | ist es sonderbar, daß: die Pohlnischen Weißagungen nur bis auf den | ||||||
19 | letzten König gehn und sich mit dem Stoßseufzer schließen: Sic transeunt | ||||||
20 | felicia regna. | ||||||
21 | Eben so sezt der Malachias bei dem jezzigen Pabst: Peregrinus | ||||||
22 | Apostolicus, welches nur zu genau eingetroffen ist. Weil er den | ||||||
23 | Namen Pius angenommen hat, so könte man gar in der Aeneis eine | ||||||
24 | Prophezeihung seines jezigen Schiksals finden, wenn es da heißt: | ||||||
25 | - - - nec Te tua plurima Panthû | ||||||
26 | Labentem, Pietas, nec Apollinis Infula texit ! | ||||||
27 | Die Römer waren Meister in der Politischen Magie, wer wei | ||||||
28 | was sie alles konten? Freilich, waren die Philosophen auch damals | ||||||
29 | hierinn totale Laien, und keiner betrog sich gröblicher als Cicero, | ||||||
30 | wenn er sagte: ego doleam, si, ad decem millia annorum gentem | ||||||
31 | aliquam urbe nostra potituram putem . | ||||||
32 | Desto wahrer bleibt es was er von der Pflichterfüllung behauptet: | ||||||
33 | Haec praescripta servantem, licet, magnifice, graviter animoseque | ||||||
34 | vivere - Allein, diese Freiheit des Geistes bin ich weit | ||||||
35 | mehr Ihnen, als dem guten Cicero schuldig, und ich hoffe, daß: noch | ||||||
36 | nach 10,000 Iahren die Grundsätze der Tugend und des Verstandes | ||||||
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