Kant: AA XII, Briefwechsel 1798 , Seite 267 |
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| 01 | Naturrechts will ich den Anfang machen, durch die Antinomie über | ||||||
| 02 | Freiheit und Naturnothwendigkeit will ich den Uebergang zur Critik der | ||||||
| 03 | reinen Vernunft machen, auf diese den Abriß der metaphysischen Anfangsgründe | ||||||
| 04 | der Naturwissenschaft folgen laßen, und so dann mit den | ||||||
| 05 | Principien der Critik der Urtheilskraft schließen. Bin ich mit diesem | ||||||
| 06 | Aufsatze zufrieden, so will ich so dann dieselben Ideen französisch niederschreiben, | ||||||
| 07 | und die Schrift mit einem meiner besten Schüler der das | ||||||
| 08 | Französische vollkommen inne hat, durchgehen um Sprachfehler und Germanismen | ||||||
| 09 | auszumerzen. Beide den deutschen und französischen Aufsatz | ||||||
| 10 | will ich an meinen Freund nach Paris schicken, er soll den letztern | ||||||
| 11 | mehreren Gelehrten, die gar nicht wissen müssen, daß er eine Uebersetzung | ||||||
| 12 | ist, vorlesen, damit diese alles was hart und eckigt ist, wegschleifen, | ||||||
| 13 | und so dann mag er ins Publikum gehen. Ich wünsche, mein | ||||||
| 14 | theurer Freund, daß dieser Plan von Ihnen genehmigt werde, geschieht | ||||||
| 15 | dis, so will ich mich getrost an die Arbeit machen. - Es gäbe freilich | ||||||
| 16 | einen kürzern Weg zum Ziel, ein Mann der sich jetzt bei uns in | ||||||
| 17 | Berlin findet, würde gern die Hände darzubieten, allein die Regierung | ||||||
| 18 | hat hier, eine für mich wenigstens unübersteigliche Barriere gezogen. | ||||||
| 19 | Ich denke Sie werden mich verstehen. | ||||||
| 20 | Meine übrigen schriftstellerischen Arbeiten sind, ein Lehrbuch der | ||||||
| 21 | reinen Mathematik und die Besorgung der dritten Auflage meiner | ||||||
| 22 | Schrift über den ersten Grundsatz der Moralphilosophie, welche ich | ||||||
| 23 | völlig umzuarbeiten und mit einem dritten Theil zu vermehren gedenke. | ||||||
| 24 | Was das Lehrbuch der reinen Mathematik betrift, so werde ich eine | ||||||
| 25 | ganz neue Methode befolgen; ich will nämlich in demselben nicht die | ||||||
| 26 | Auflösungen und Beweise, wie dis immer geschieht, selbst aufstellen, | ||||||
| 27 | sondern nur Anleitung geben, wie man dieselben finden kann, diejenigen | ||||||
| 28 | Fälle ausgenommen, wo die Auffindung mit zu viel Schwierigkeiten | ||||||
| 29 | verknüpft wäre. Ich glaube, daß ein mathematisches Lehrbuch in dieser | ||||||
| 30 | Form dem Lehrer und Zuhörer angenehm sein wird. - Bei Bearbeitung | ||||||
| 31 | dieses Werks aber stoße ich auf eine Schwierigkeit, über die ich mir | ||||||
| 32 | Ihren gütigen Rath erbitte. Es scheint mir, als wenn man bisher | ||||||
| 33 | einen Theil der reinen Mathesis mit Unrecht zur angewandten gezählt | ||||||
| 34 | habe, dis ist nämlich die reine Größenlehre der Bewegung. Die | ||||||
| 35 | reine Mathesis zerfällt meines Erachtens in zwei Haupttheile, der | ||||||
| 36 | erste beschäftigt sich mit der Quantität überhaupt, Arithmetik, sie hat | ||||||
| 37 | blos symbolische Construktion, der zweite auf Quanta, reine Quanta | ||||||
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