Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 174 |
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Text (Kant):
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| 01 | wenn mir so etwas jemals in den Sinn gekommen wäre, müßte ich | ||||||
| 02 | dieses Unsinns wegen mich selbst anfeinden); daß der Verstand die | ||||||
| 03 | Objecte erzeugt," schließe ich, daß Sie mit Herrn Schultz über das | ||||||
| 04 | sonderbare Zeug des Herrn Fichte sich unterhalten haben müssen, indem | ||||||
| 05 | mir diese Ausdrücke gänzlich Fichtisch klingen. Hierauf kann ich | ||||||
| 06 | nun nicht anders, als noch Folgendes erinnern und einen Vorschlag | ||||||
| 07 | thun, der mir durch den Kopf geht. | ||||||
| 08 | Ich versichere Sie, sowahr ich ein ehrlicher Mann bin, daß ich | ||||||
| 09 | unendlich weit, von diesem Fichtischen Unsinn mich entfernt befinde. | ||||||
| 10 | Ich hielt es blos vor nöthig, auf die Ansicht der Categorien, als eines | ||||||
| 11 | ursprünglichen Verstandesverfahrens, wohin ihre ganze Deduction, als | ||||||
| 12 | Beantwortung der Frage: wie sind sie auf Erscheinungen anwendbar, | ||||||
| 13 | gerichtet ist, die Augen der philosophirenden Männer zu lenken, weil | ||||||
| 14 | ich mich versichert hielt, daß ihre Mishelligkeiten verschwinden müßten, | ||||||
| 15 | wenn sie das träfen, daß der Verstand nichts objectiv verknüpfen könnte, | ||||||
| 16 | was er nicht vorher ursprünglich verbunden hat. Wenn ich nun allerdings | ||||||
| 17 | sage, daß die Categorie Realität die Synthesis der Empfindung | ||||||
| 18 | ist, die vom Ganzen zu den Theilen (durch Remission) geht, so kann | ||||||
| 19 | doch vernünftigerweise meine Meynung keine andere seyn, als daß die | ||||||
| 20 | Sachheit eines Dinges, (das Reale der Erscheinung die mich afficirt, | ||||||
| 21 | und diese Empfindung in mir hervorbringt) allemahl eine Grösse (intensive) | ||||||
| 22 | ist, daß eben daher eine absolute Sachheit (die nämlich keine | ||||||
| 23 | Grösse wäre, wie nach Cartesii Meynung, daß die Materie durch ihre | ||||||
| 24 | blosse Existenz einen Raum erfüllt) nichts bedeutet. Dieses ursprüngliche | ||||||
| 25 | Verstandesverfahren in der Categorie Realität, fällt mit dem in | ||||||
| 26 | den Categorien der Existenz zusammen, vermöge dessen ich eben aus mir | ||||||
| 27 | selbst herausgehe, und sage: hier ist ein Object das mich afficirt; aber | ||||||
| 28 | der Transcendentalphilosoph muß diese verschiedene Seiten des Verstandes | ||||||
| 29 | von einander scheiden. Ich fand für nöthig, auf jede Categorie | ||||||
| 30 | besonders, das Auge des Lesers zu lenken. Wenn mich einer frägt: | ||||||
| 31 | "wenn du nun dich selbst in Gedanken aufhebst, dann hebst du ja | ||||||
| 32 | auch wohl alle Dinge ausser dir zugleich auf?" so werde ich doch nicht | ||||||
| 33 | verrückt seyn, solch dummes Zeug zu bejahen. Hebe ich mich in Gedanken | ||||||
| 34 | auf, so betrachte ich mich ja eben unter Zeitbedingungen, welchen | ||||||
| 35 | Ablauf der Zeit ich mir selbst nur am Beharrlichen vorstellen | ||||||
| 36 | kann. Absehen von diesem ursprünglichen Verstandesverfahren, ist | ||||||
| 37 | doch nicht mit Aufheben meiner Selbst einerley. Ia wohl, werde | ||||||
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