Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 172

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 von der Schrift des HE. Beck, in Ansehung der Kritik der r. V. zuvernehmen.      
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  03 Während mich die Versuche Anderer, Ihre "Kritik" zu wiederlegen      
  04 oder ihr ein Fundament zu geben oder wohl gar neue Principia      
  05 zu finden und aufzustellen nicht irre machten, indem die Kritik der r.      
  06 V. mich durch ihre Methode so wohl als Ihren Inhaltvollkommen      
  07 befriedigte, zog doch die eigne Ansicht und der Standpunct, aus welchem      
  08 HE. Beck den Weg zu demselben Ziele, welches die Kritik vor sich hat,      
  09 zunehmen anräth, meine Aufmerksamkeit auf sich und ich habe mich      
  10 mit ihm darüber vielfältig unterhalten; ohne iedoch biß ietzt mit ihm      
  11 ganz einig werden zu können.      
           
  12 Ich glaubte, daß es Ihnen und auch dem HE. H[of] P[rediger] Schulz,      
  13 dem ich bei dieser Gelegenheit meine Hochachtung zuversichern bitte, nicht      
  14 unangenehm sein mögte, wie ich als ein Dritter, der die Kritische Philosophie      
  15 lange studirt hat, über das Verhältniß des "Standpunkts      
  16 zur Kritik der r. V. urtheile.      
           
  17 In dieser Absicht schien es mir dienlich, Ihnen eine kleine Probe      
  18 zu geben, ob oder wie ich Ihre Kritik verstehe. Ich wählte dazu den      
  19 mir sehr wichtigen und wie ich glaube auch schwierigsten Punkt in der      
  20 Transsc: Philosophie über die Möglichkeit der Erfahrung und die hiermit      
  21 zusammenhängende Deduction der Kategorien.      
           
  22 Ich stelle die Sache zuerst so auf, wie ich glaube, daß sie die      
  23 Kritik der r. V. verstanden wissen will, hierauf führe ich die Idee      
  24 des HE. Beck an, freilich nur in einem nakten Riß, iedoch so viel,      
  25 daß sich die Tendenz derselben hervorthut uud ich drittens als ein      
  26 Freier, welchen die "Kritik" durch ihre Form und ihre Sachen in      
  27 allen ihren Theilen interessirt, einige Bedenklichkeiten gegen den      
  28 Versuch des HE. Beck anschliessen konnte. Alles mit Wissen und      
  29 Willen des HE. Becks.      
           
  30 Die anliegenden Blätter sind aber ganz zu Ihrer Disposition,      
  31 Sie mögen sie lesen oder auch hinwerfen; denn ich habe sie bloß auf      
  32 den möglichen Fall angeschlossen, daß entweder Sie oder HE H[of]pr[ediger]      
  33 Schulz davon einigen Gebrauch machen wollten, weil sie eine Sache      
  34 betreffen, die Sie beide ietzt sehr angelegentlich zu beschäftigen scheint.      
           
  35 Die Ankündigung und Erklärung wegen HE. Schlettwein habe ich      
  36 auch gelesen und mich über die Rodomontaden des HE. Schlettwein eben      
  37 nicht sehr gewundert, denn es scheint sein Steckenpferd zu sein, bald      
           
     

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