Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 092 |
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01 | liegen mußten; die Theurung in Pillau verminderte um vieles meine | ||||||
02 | Baarschaften, welche ohnehin äußerst mäßig waren. Nachdem der | ||||||
03 | Wind günstig geworden, gingen wir unter Segel, eilf Tage waren | ||||||
04 | wir auf ofner See, in Swinemünde blieben wir liegen, und einige | ||||||
05 | Meilen von Swinemünde wiederfuhr uns daßelbe, nach einer Reise | ||||||
06 | von viertehalb Wochen kamen wir nach Stettin, von da gieng ich mit | ||||||
07 | noch zwei Reise Kameraden zu Fuß nach Berlin, die Sachen wurden | ||||||
08 | auf einen Oder=Kahn geladen. Die Empfelungen, die Sie mir mitzugeben | ||||||
09 | die Güte gehabt, gab ich ab; HE Doktor Biester und HE | ||||||
10 | Profeßor Kiesewetter hatten wider meinen Plan nichts einzuwenden, | ||||||
11 | letzterer gab sich Mühe mich bei einem Meister unterzubringen, aber | ||||||
12 | es war vergebens, keiner von allen, wohin mich Kiesewetter brachte, | ||||||
13 | wollte sich entschließen mich anzunehmen, der eine entschuldigte sich, | ||||||
14 | daß er keinen Plaz habe, der andre, daß ich in den Iahren nicht | ||||||
15 | viel lernen würde, der dritte meinte, er könnte mich nicht so als einen | ||||||
16 | gewöhnlichen Lehrjungen behandeln ein vierter hatte andere Gründe, | ||||||
17 | und so war alles Bemühen fruchtloß, ich bat daher HE Prof. Kiesewetter | ||||||
18 | irgend einen andern Plan zu meinen Fortkommen zu entwerfen, | ||||||
19 | indeßen wollte er meinen einmal entworfnen Plan durchgesezt | ||||||
20 | wißen, es koste was es wolle, er rieth mir mich an HE Doktor | ||||||
21 | Biester zu wenden, dieser würde vielleicht einen Meister ausfindig | ||||||
22 | machen, und dann solte ich, die Bedingungen möchten seyn welche es | ||||||
23 | wollten, in Arbeit gehen, nach seiner Zurükkunft (er reißte eben auf | ||||||
24 | einige Zeit nach Freyenwalde sechs Meilen von hier ins Bad) würde | ||||||
25 | er alles arrangiren, er hätte schon mit mehreren Freunden gesprochen, | ||||||
26 | die mich während meinen Lehrjahren zu unterstüzzen versprachen, da | ||||||
27 | eine Unterstüzzung unter solchen Umständen als ein allgemeines Gesez | ||||||
28 | sehr wohl bestehen könnte, so nahm ich dieses Anerbieten an, HE | ||||||
29 | Doktor Biester empfohl mich dem braven Zöllner, welcher mich vermittelst | ||||||
30 | eines Tischlers bei einem geschickten hiesigen Tischler unterbrachte, | ||||||
31 | die Bedingungen waren freilich meinen Verhältnißen nicht | ||||||
32 | angemeßen, ich sollte nemlich auf drei Iahre eingeschrieben werden | ||||||
33 | funfzig Thaler Lehrgeld bezalen und Tisch, Quartier und Kleidung | ||||||
34 | selbst besorgen, allein in Hofnung auf die so sicher zugesagte Unterstüzzung | ||||||
35 | fieng ich an zu arbeiten; nachdem Kiesewetter zurükgekommen | ||||||
36 | stellte ich ihm dieses vor, er hatte dawider nichts einzuwenden, | ||||||
37 | munterte mich auf meinem Vorsaz treu zu bleiben, und versicherte | ||||||
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