Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 078 |
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Text (Kant):
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| 01 | zum Tempel der Wissenschaft, nie aber als Ziel und Zweck aller Weisheit | ||||||
| 02 | betrachtete, und immer betrachten werde. | ||||||
| 03 | Ich darf nicht bescheiden seyn; ich darf nur von meinem mir selbst | ||||||
| 04 | so fühlbaren Unvermögen so lebendig überzeugt seyn, als ich es wirklich | ||||||
| 05 | bin, - um, wenn ich mich in die glänzende Reihe der Philosophen | ||||||
| 06 | Teutschlands einzudrängen scheine, jenes | ||||||
| 07 | Non tali auxilio, nec defensoribus istis | ||||||
| 08 | Tempus eget . Virgil. | ||||||
| 09 | auf mich anzuwenden. | ||||||
| 10 | Aber mir war es wichtig, mußte es wichtig seyn, Ihr Lehrgebäude, | ||||||
| 11 | dessen einige wesentliche Theile, z. B. der ästhetische und teleologische, | ||||||
| 12 | erst während meiner Abwesenheit aus Preußen, von Ihnen ausgearbeitet | ||||||
| 13 | und vollendet erschienen, in seinem ganzen Umfange zu überschauen, | ||||||
| 14 | mich von der durchgängigen Haltung seiner Fugen, von der Festigkeit | ||||||
| 15 | seiner Gründe zu überzeugen, und mich des großen Baumeisters zu | ||||||
| 16 | freuen. | ||||||
| 17 | So wichtig indessen mir dies seyn mußte: so würde ich doch, | ||||||
| 18 | durch die eigenthümliche Wendung meines Geistes in sehr verschiedenartige | ||||||
| 19 | Felder der Wissenschaft hingeleitet, von dem, nur sehr wenigen | ||||||
| 20 | zugänglichen, Bezirk transscendentaler Spekulazion mich auf immer | ||||||
| 21 | entfernt gehalten, würde meine unbedeutenden Untersuchungen dieser | ||||||
| 22 | Art wenigstens nie dem Publikum mitgetheilt haben, wie ichs auch | ||||||
| 23 | bis dahin gethan: wofern nicht die wiederholt=aufgegebene Frage der | ||||||
| 24 | Königlichen Akademie über die Fortschritte der Metaphysik, mir, bei | ||||||
| 25 | sehr zufälliger Muße von einigen Monaten, Aufmunterung gewesen | ||||||
| 26 | wäre, meine etwanigen Ideen über das Ganze Ihres Systems einer | ||||||
| 27 | Gesellschaft von Philosophen vorzulegen, die - wenigstens frei von | ||||||
| 28 | dem herrschenden Partheigeist unserer philosophischen Gerichtsstühle, | ||||||
| 29 | ihre Urtheile aussprechen. | ||||||
| 30 | Denn die akademische Frage an sich lag weniger in meinem | ||||||
| 31 | Plan, wie ich sie denn auch, in dem Verfolg des Werkes, diesem Plan | ||||||
| 32 | nur angebogen; um mich denjenigen Untersuchungen, die mir eigentliches | ||||||
| 33 | Ziel waren, desto ungehinderter zu überlassen. | ||||||
| 34 | Schon die Ausdehnung des Werks auf Moral, natürliche Religion, | ||||||
| 35 | und Aesthetik, beweist die Verschiedenheit meines Ziels von demjenigen, | ||||||
| 36 | welches die akademischen Preisbewerber im Auge haben mußten. | ||||||
| 37 | Demohngeachtet kann es mir nicht anders als aufmunternd seyn, | ||||||
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