Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 049 |
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| 01 | wissen. - Sie wundern sich, daß die Preise dismal nicht am Geburtstage | ||||||
| 02 | des Königs ausgetheilt sind, und glauben, daß dis immer | ||||||
| 03 | der Fall sein müße, allein darin irren Sie, die Akademie hält Ihre | ||||||
| 04 | Sitzungen nur des Donnerstags und sie vertheilt die Preise also auch | ||||||
| 05 | stets den nächsten Donnerstag nach des Königs Geburtstag, es sei | ||||||
| 06 | denn, daß dieser selbst auf einen Donnerstag fiele. | ||||||
| 07 | Politische Neuigkeiten von Bedeutung haben wir jetzt nicht. Caillard | ||||||
| 08 | hat seine Audienzen gehabt und das Skandalon, daß ein Bürgerlicher Gesandter | ||||||
| 09 | ist, ist überwunden. Er ist ein Mann zwischen 40 und 50Iahren; | ||||||
| 10 | und soll ein Mann von richtigem Verstande, aber doch kein außerordentlicher | ||||||
| 11 | Mensch sein. Bei der regierenden Königin hat er zwar Audienz gehabt, | ||||||
| 12 | aber eingeladen ist er noch nicht geworden, doch hat die Prinzessin | ||||||
| 13 | Heinrich dis schon gethan. - Das Ueberschreiten der Demarkationslienie | ||||||
| 14 | von Seiten der Östreicher, wodurch die Franzosen zum | ||||||
| 15 | Rückzuge genöthigt wurden, möchte manche unangenehme Folgen nach | ||||||
| 16 | sich ziehen, um so mehr, da man wissen konnte, eine Armee von | ||||||
| 17 | 40 Mann, kann die 40 Meilen lange Demarkationslienie nicht | ||||||
| 18 | decken. Noch sind die Franzosen disseits des Rheins und man erwartet | ||||||
| 19 | jeden Augenblick die Nachricht von einer Schlacht, die das Schicksal | ||||||
| 20 | der Östreicher entscheidet. Übrigens ist ihr Verlust bei weitem so | ||||||
| 21 | groß nicht, als die Zeitungen sagen, sie haben ungefähr 1000 Mann | ||||||
| 22 | verlohren. - Der Erbprinz von Oranien ist immer noch hier, er ist | ||||||
| 23 | fest überzeugt, daß er wieder nach Holland zurückkehren werde, worauf | ||||||
| 24 | er diese Hofnungen gründet, kann ich nicht begreifen. - Der Minister | ||||||
| 25 | Voß hat, wie man heute sagt, seinen Abschied erhalten, er ist wie Sie | ||||||
| 26 | wissen, der Bruder der verstorbenen Ingenheim. | ||||||
| 27 | Aber, liebster Professor, ich ermüde Ihre Geduld und raube Ihnen | ||||||
| 28 | Ihre kostbare Zeit. Künftige Woche melde ich Ihnen, durch welchen | ||||||
| 29 | Fuhrmann ich Ihnen die Rüben schicke und sende Ihnen zugleich Fracht | ||||||
| 30 | und Accisezettel. - HErr Prof. Herz hat mir aufgetragen Ihnen recht | ||||||
| 31 | viel herzliche Grüße von ihm zu bestellen. - Ich bin unveränderlich | ||||||
| 32 | mit der innigsten Liebe und Hochachtung | ||||||
| 33 | Ihr | ||||||
| 34 | Berlin den 5ten November 1795. | aufrichtiger Verehrer | |||||
| 35 | I. G. C. Kiesewetter. | ||||||
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