Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 034

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der Natur in Lichtstoff und andere Materie zersetzen läßt, so wie ferner      
  02 das Licht in verschiedene Farben, u.s.w. Nimmt man noch dazu,      
  03 was das Gewächsreich aus jenem gemeinen Wasser für eine unermeßliche      
  04 Mannichfaltigkeit von zum Theil flüchtigen Stoffen, vermuthlich      
  05 durch Zersetzung und andere Art der Verbindung, hervorzubringen      
  06 weiß: so, kann man sich vorstellen, welche Mannichfaltigkeit von      
  07 Werkzeugen die Nerven an ihren Enden in dem Gehirnwasser (das      
  08 vielleicht nichts mehr als gemeines Wasser seyn mag) vor sich finden,      
  09 um dadurch für die Sinnenwelt empfänglich und wechselseitig wiederum      
  10 auch auf sie wirksam zu seyn.      
           
  11 Wenn man nun als Hypothese annimmt: daß dem Gemüth im      
  12 empirischen Denken, d. i. im Auflösen und Zusammensetzen gegebener      
  13 Sinnenvorstellungen, ein Vermögen der Nerven unterlegt sey, nach      
  14 ihrer Verschiedenheit das Wasser der Gehirnhöhle in jene Urstoffe zu      
  15 zersetzen, und so, durch Entbindung des einen oder des andern derselben,      
  16 verschiedene Empfindungen spielen zu lassen (z. B. die des      
  17 Lichts, vermittelst des gereizten Sehenervens, oder des Schalls, durch      
  18 den Hörnerven, u.s.w.), so doch, daß diese Stoffe, nach aufhörendem      
  19 Reiz, so fort wiederum zusammenflössen; so könnte man sagen, dieses      
  20 Wasser werde continuirlich organisirt, ohne doch jemals organisirt zu      
  21 seyn: wodurch dann doch eben dasselbe erreicht wird, was man mit      
  22 der beharrlichen Organisation beabsichtigte, nämlich die collective Einheit      
  23 aller Sinnenvorstellungen in einem gemeinsamen Organ (sensorium      
  24 commune), aber nur nach seiner chemischen Zergliederung begreiflich      
  25 zu machen.      
           
  26 Aber die eigentliche Aufgabe, wie sie nach Haller'n vorgestellt      
  27 wird, ist hiemit doch nicht aufgelöst; sie ist nicht bloß physiologisch,      
  28 sondern sie soll auch zum Mittel dienen, die Einheit des Bewußtseyns      
  29 seiner selbst (welche dem Verstande angehört) im Raumesverhältnisse      
  30 der Seele zu den Organen des Gehirns (welches zum äußeren Sinne      
  31 gehört), mithin den Sitz der Seele, als ihre locale Gegenwart, vorstellig      
  32 zu machen, welches eine Aufgabe für die Metaphysik, für diese      
  33 aber nicht allein unauflöslich, sondern auch an sich widersprechend ist.      
  34 - Denn wenn ich den Ort meiner Seele, d. i. meines absoluten      
  35 Selbst's, irgendwo im Raume anschaulich machen soll, so muß ich mich      
  36 selbst durch eben denselben Sinn wahrnehmen, wodurch ich auch die      
  37 mich zunächst umgebende Materie wahrnehme; so wie dieses geschieht,      
           
     

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