Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 494 |
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01 | ich Muth genug, von der Herzensgüte eines Weisen, dessen Tage die | ||||||
02 | Vorsicht zum Segen für die Wahrheit fristen wird, eine, sei es auch | ||||||
03 | nur kurze, Antwort zu hoffen. | ||||||
04 | Mit der vollkommensten, freiesten Ehrerbietung | ||||||
05 | Euer Wolgeborn | ||||||
06 | Erlangen | innigster Verehrer, | |||||
07 | am 8. März | C. F. Ammon, | |||||
08 | 1794. | D. u. Prof. der Theologie. | |||||
620. | |||||||
10 | An Carl Leonhard Reinhold. | ||||||
11 | 28. März 1794. | ||||||
12 | Verehrungswürdiger Herr | ||||||
13 | Theurester Freund! | ||||||
14 | Mit dem herzlichen Wunsche, daß Ihre Entschließung, den Platz | ||||||
15 | der Verbreitung Ihrer gründlichen Einsichten zu verändern, Ihnen | ||||||
16 | selbst eben so ersprieslich und für alle Ihre Wünsche so befriedigend | ||||||
17 | seyn möge, als sie gewiß denen seyn wird, zu welchen Sie übergehen, | ||||||
18 | verbinde ich noch denjenigen, auch mit mir nicht unzufrieden zu seyn, | ||||||
19 | obzwar ich dazu, dem Anschein nach, Ursache gegeben habe; wegen | ||||||
20 | Nichterfüllung meines Versprechens, die Aufforderung betreffend, Ihre | ||||||
21 | vortrefliche mir angezeigte Briefe, vornehmlich die Principien des | ||||||
22 | Naturrechts angehend (als mit denen ich im Wesentlichen mit Ihnen | ||||||
23 | übereinstimme) durchzugehen und Ihnen mein Urtheil darüber zu eröfnen. | ||||||
24 | Daß dieses nun nicht geschehen ist, daran ist nichts geringeres | ||||||
25 | Schuld, als mein Unvermögen! - Das Alter hat in mir, seit etwas | ||||||
26 | mehr als drey Iahren, nicht etwa eine sonderliche Veränderung im | ||||||
27 | Mechanischen meiner Gesundheit, noch auch eine große (doch merkliche) | ||||||
28 | Abstufung der Gemüthskräfte, den Gang meines Nachdenkens, den ich | ||||||
29 | einmal nach einem gefaßten Plane eingeschlagen, fortzusetzen, sondern | ||||||
30 | vornehmlich eine mir nicht wohl erklärliche Schwierigkeit bewirckt, mich | ||||||
31 | in die Verkettung der Gedanken eines Anderen hineinzudenken und | ||||||
32 | so dessen System bey beyden Enden gefasst reiflich beurtheilen zu | ||||||
33 | können, (denn mit allgemeinem Beyfall oder Tadel ist doch Niemanden | ||||||
34 | gedient). Dies ist auch die Ursache, weswegen ich wohl allenfalls | ||||||
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