Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 333 |
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01 | haben, Sie auf einen solchen trafen der wie man sieht kein schmeichler | ||||||
02 | ist der nicht durch Schmeicheleyen hinhält und wollten Sie einen Vermittler | ||||||
03 | zwischen Sich und Ihrem Herzensfreunde meine Art das gute | ||||||
04 | Vernehmen herzustellen der Vorliebe fürs schöne Geschlecht gar nicht | ||||||
05 | gemäs sey indem ich für den Letzteren spreche und ihm Gründe an | ||||||
06 | die Hand gebe welche er als Verehrer der Tugend auf seiner Seite | ||||||
07 | hat und die ihn darüber rechtfertigen daß er in seiner Zuneigung | ||||||
08 | gegen Sie von Seiten der Achtung wankend geworden. | ||||||
09 | Was die erstere Erwartung betrift so muß ich zuerst anrathen | ||||||
10 | sich zu prüfen ob die bittere Verweise welche Sie sich wegen einer, | ||||||
11 | übrigens zu keiner Bemäntelung irgend eines begangenen Lasters ersonnenen | ||||||
12 | Lüge machen Vorwürfe einer bloßen Unklugheit oder eine | ||||||
13 | innere Anklage wegen der Unsittlichkeit die in der Lüge an sich selbst | ||||||
14 | steckt seyn mögen. Ist das erstere so verweisen sie sich nur die Offenherzigkeit | ||||||
15 | der Entdeckung derselben also reuet es Sie diesmal ihre | ||||||
16 | Pflicht gethan zu haben; (denn das ist es ohne Zweifel wenn man | ||||||
17 | jemanden vorsetzlich obgleich in einen ihm unschadlichen Irrthum gesetzt | ||||||
18 | und eine Zeitlang erhalten hat ihn wiederum daraus ziehen); | ||||||
19 | und warum reuet Sie diese Eröfnung? Weil Ihnen dadurch der freylich | ||||||
20 | wichtige Nachtheil entsprungen das Vertrauen ihres Freundes einzubüssen. | ||||||
21 | Diese Reue enthält nun nichts Moralisches in ihrer Bewegursache | ||||||
22 | weil nicht das Bewustseyn der That sondern ihrer Folgen | ||||||
23 | die Ursache derselben ist. Ist der Verweis, der Sie kränkt aber ein | ||||||
24 | solcher der sich wirklich auf bloßer sittlicher Beurtheilung Ihres Verhaltens | ||||||
25 | gründet so wäre das ein schlechter moralischer Arzt der ihnen | ||||||
26 | riethe weil das Geschehene doch nicht ungeschehen gemacht werden kan | ||||||
27 | diesen Verweis aus ihrem Gemüthe zu vertilgen und sich blos fortmehr | ||||||
28 | einer pünctlichen Aufrichtigkeit von ganzer Seele zu befleißigen | ||||||
29 | denn das Gewissen muß durchaus alle Ubertretungen aufbehalten wie | ||||||
30 | ein Richter der die Acten wegen schon abgeurtheilter Vergehungen | ||||||
31 | nicht cassirt sondern im Archiv aufbehält um bey sich eräugnender | ||||||
32 | neuen Anklage wegen ähnlicher oder auch anderer Vergehungen das | ||||||
33 | Urtheil der Gerechtigkeit gemäs allenfalls zu schärfen. Aber über jener | ||||||
34 | Reue zu brüten und nachdem man schon eine andere Denkungsart eingeschlagen | ||||||
35 | ist sich durch die fortdaurende Vorwürfe wegen vormaliger | ||||||
36 | nicht mehr herzustellender für das Leben unnütze zu machen würde | ||||||
37 | (vorausgesetzt daß man seiner Besserung versichert ist) eine phantastische | ||||||
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