Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 312 |
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01 | desselben bey den Theilen des Mannigfaltigen zu setzen sey? Diese | ||||||
02 | Einheit erhält nun in meinen Augen den Character der objectiven | ||||||
03 | Einheit, wenn die Vorstellung selbst unter die Kategorie subsumirt | ||||||
04 | wird. Herr Reinholdt spricht von einer Verbindung und einer Einheit | ||||||
05 | im Begrif, einer zweyten Verbindung und einer zweyten Einheit | ||||||
06 | (von der zweyten Potenz, wie er sich ausdruckt) im Urtheil. Auch hat | ||||||
07 | er noch eine dritte im Schluß. Davon verstehe ich zwar nicht ein | ||||||
08 | Wort, indem ich unter verbinden nichts mehr als das Mannigfaltige | ||||||
09 | vom Bewußtseyn begleiten, verstehe, aber doch macht es mich mißtrauisch | ||||||
10 | gegen mich selbst. | ||||||
11 | Mein Theuerster Lehrer, Ihnen Zeit rauben ist nicht meine Sache. | ||||||
12 | Aber, indem ich für dieses mahl nichts Weiteres Ihnen vorlegen will, | ||||||
13 | muß ich Sie inständigst bitten, mit wenigen Worten mich über das | ||||||
14 | Vorgelegte, zu beruhigen. Denn wenn ich irre, so würden doch wohl | ||||||
15 | nur einige Winke hinlänglich mich auf die rechte Bahn führen. Es | ||||||
16 | verhält sich mit diesem Studium darin ganz anders wie mit dem der | ||||||
17 | Mathematik. Sätze der letztern, einmahl deutlich eingesehen, können | ||||||
18 | wohl an Deutlichkeit nichts mehr gewinnen. Dies letztere findet doch | ||||||
19 | in der Philosophie statt. Klügel, dessen Scharfsinn ich oft zu bemerken | ||||||
20 | Gelegenheit habe, versichert mich, daß obgleich gar einmahl er ein | ||||||
21 | Collegium über die Metaphysick der Natur gelesen, er lange nachher | ||||||
22 | erst ein einigermaßen widriges Vorurtheil sowohl gegen jene Metaphysick, | ||||||
23 | als auch wohl gegen die Kritik bis auf den Punct daß er sie | ||||||
24 | schätze, indem er sie immer mehr verstehe abgelegt habe. Ich erinnere | ||||||
25 | mich noch gar wohl, wie er, um die Zeit da ich hier angekommen | ||||||
26 | war, über die Bestimmung, wonach die Mathematik eine Wissenschaft | ||||||
27 | durch Construction der Begriffe sey, urtheilte. Ich konnte lange nicht | ||||||
28 | errathen was er damit haben wollte, daß sie eine Wissenschaft der | ||||||
29 | Formen der Grössen sey, und erfuhr erst da ich disputirte, da | ||||||
30 | seine Erklärung genau mit der Ihrigen congruire. Die Kritick der | ||||||
31 | Urtheilskraft befriedigt mich ganz. Nur müssen Sie nicht zürnen da | ||||||
32 | ich jetzt erst mit dem ästhetischen Theil fertig bin. Ich bin mit der | ||||||
33 | reinsten Hochachtung | ||||||
34 | der Ihrige | ||||||
35 | Beck. | ||||||
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