Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 311 |
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Text (Kant):
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01 | Ihren Sinn treffe. Nur muß ich Sie vorher bitten doch nicht verdrüßlich | ||||||
02 | zu werden, wenn bey der Versicherung die Kritik beherzigt zu | ||||||
03 | haben, ich doch vieleicht zu fehlerhaft schreibe. | ||||||
04 | Die Kritick nennt die Anschauung, eine Vorstellung die sich unmittelbar | ||||||
05 | auf ein Object bezieht. Eigentlich aber wird doch eine Vorstellung, | ||||||
06 | allererst durch Subsumtion unter die Kategorien objectiv. | ||||||
07 | Und da auch die Anschauung, diesen, gleichsam objectiven Character, | ||||||
08 | auch nur durch Anwendung der Kategorien auf dieselbe erhält, so | ||||||
09 | wollte ich gern jene Bestimmung der Anschauung, wonach sie eine auf | ||||||
10 | Objecte sich beziehende Vorstellung ist, weglassen. Ich finde doch in | ||||||
11 | der Anschauung nichts mehr, als ein vom Bewußtseyn (oder dem | ||||||
12 | einerley Ich denke) begleitetes und zwar bestimmtes Mannigfaltige, | ||||||
13 | wobey noch keine Beziehung auf ein Object statt findet. Auch den | ||||||
14 | Begrif will ich nicht gern eine Vorstellung die sich mittelbar auf ein | ||||||
15 | Object bezieht, nennen; sondern unterscheide ihn darin von der Anschauung, | ||||||
16 | daß diese durchgängig bestimmt, und jener nicht durchgängig | ||||||
17 | bestimmt ist. Denn Anschauung und Begrif erhalten ja, erst durch | ||||||
18 | das Geschäfte der Urtheilskraft die sie dem reinen Verstandesbegrif | ||||||
19 | subsumirt, das Objective. *) | ||||||
20 | Unter dem Worte verbinden in der Kritick, verstehe ich nichts mehr, | ||||||
21 | noch minder, als das Mannigfaltige von dem identischen Ich denke, | ||||||
22 | begleiten, wodurch überhaupt eine Vorstellung entsteht. Nun meyne ich | ||||||
23 | daß die ursprüngliche Apperception eben um dieser einen Vorstellung | ||||||
24 | willen, die dadurch nur zu Stande kommen kann, von der Kritick die | ||||||
25 | Einheit der Apperception genannt wird. Aber habe ich auch darin recht | ||||||
26 | daß ich beyde verwechsele, oder vielmehr, darin lediglich den Unterschied | ||||||
27 | finde, daß das reine Ich denke, obgleich es nur an der Synthesis | ||||||
28 | des Mannigfaltigen erhalten wird, doch überhaupt (da es selbst nichts | ||||||
29 | Mannigfaltiges in sich schließt) als etwas Unabhängiges von demselben | ||||||
30 | gedacht wird; hingegen die Einheit des Bewußtseyns in der Identität | ||||||
Anmerkung Kant's: * Die Bestimmung eines Begrifs durch die Anschauung zu einer Erkentnis des Objects gehört für die Urtheilskraft aber nicht die Beziehung der Anschauung auf ein Object überhaupt; denn das ist blos der logische Gebrauch der Vorstellung dadurch diese als zum Erkentnis gehörig gedacht wird dahingegen wenn diese einzelne Vorstellung blos aufs Subject bezogen wird der Gebrauch ästhetisch ist (Gefühl) und die Vorstellung kein Erkentnißstück werden kan. | |||||||
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