Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 262

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wegen Zweifel an eignen Kräften und Tauglichkeit niedergeschlagen ist.      
  02 Ich danke Ihnen herzlich dafür und auch für die Erlaubniß wieder      
  03 an Sie schreiben zu dürfen. Beym Herrn Geheimen Rath v. Hofmann      
  04 bin ich gewesen und habe ihm für seine Geneigtheit gegen mich die er      
  05 in seinem Briefe an Sie hat blicken lassen, gedankt. Er begegnete      
  06 mir sehr gütig und ich kann wohl glauben, daß er mir nützen werde,      
  07 wenn er Gelegenheit dazu haben wird. Sonst genüsse ich hier wirklich      
  08 einen Vortheil und zwar durch die Fürsorge des Herrn Professor      
  09 Iakob, der sobald ich nach Halle kam, mich dem Schulkollegium des      
  10 hiesigen Gymnasiums so sehr dringend empfahl, daß es mich bey diesem      
  11 Gymnasium, bey dem er selbst so lange Schulkollege gewesen, zum      
  12 Collaborator wählte. Dieser Vortheil beträgt etwa 90 oder 100 Thlr      
  13 und ist überdem mit der ziemlich sichern Hofnung verknüpft SchulKollege      
  14 zu werden wenn eine Vakanz vorfällt. Herr Pr. Iakob ist jetzt von      
  15 der Schule abgegangen; allein ein anderer als ich, der ein älteres      
  16 Recht dazu hatte, ist an seiner Stelle Lehrer geworden. Seit vorigen      
  17 Montag sind hier die Collegia angegangen. Ich lese die reine Mathematick      
  18 nach Klügels Lehrbuch und habe etwa 8 Zuhörer, die aber      
  19 wahrscheinlich mir nichts bezahlen werden. Auch habe ich heute ein      
  20 Publicum zu lesen angefangen, nehmlich die mathematische Geographie,      
  21 worin freylich eine ganze Menge Studenten waren, die sich aber, weil      
  22 es Vorkenntnisse verlangt, wahrscheinlich bis auf wenige verliehren      
  23 werden. Zur philosophischen Vorlesung hat sich niemand bey mir gemeldet.      
  24 Ich bin dieses schlechten Anfangs wegen aber gar nicht muthloß.      
  25 Denn ich meyne es ehrlich und glaube daß man die Absicht zu      
  26 nutzen mir anmerken werde. Schelten Sie aber doch nicht, daß ich      
  27 Sie von meinen Umständen so lange unterhalte.      
           
  28 Auch von literairischen Dingen haben Sie mir erlaubt Ihnen zu      
  29 schreiben. Verehrungswürdiger Mann! Sie lieben die Sprache der      
  30 Aufrichtigkeit, und verstatten es mir Ihnen herzlich zu beichten, was      
  31 mir auf dem Herzen liegt. Die Kritick habe ich gefaßt. Es war      
  32 mir Herzenssache sie zu studiren, und nicht Sache des Eigennutzes.      
  33 Ich habe Ihre Philosophie lieb gewonnen, weil sie mich überzeugt.      
  34 Aber unter den lauten Freunden derselben, kenne ich keinen einzigen,      
  35 der mir gefällt. So viel ich spühren kann, ist es eitel Gewinnsucht,      
  36 welche die Leute belebt, und das ist unmoralisch und schmeckt wahrlich      
  37 nicht nach Ihrer practischen Philosophie. Herr Professor Reinhold      
           
     

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